Den letzten „Bloch“, den Dieter Pfaff vor seinem Tod drehte und den die ARD am Mittwoch zeigt, schaut man trotz der Schwächen mit Wehmut.

Semper aliquid haeret, irgendetwas bleibt immer hängen. Einer dieser Allzwecksprüche, den Juristen gern bringen, falls „Vor Gericht und auf hoher See sind wir alle in Gottes Hand“ gerade nicht passt. Aber als Verteidiger hat man ja auch gern gut reden, denn es geht bei solchen Prozessen nicht um die eigene, in aller Regel ehrliche Haut. Für den Kölner Psychotherapeuten Dr. Maximilian Bloch geht es in „Die Lavendelkönigin“ genau darum.

Bloch soll eine seiner Patientinnen während einer Hypnosesitzung sexuell missbraucht haben. Mehr noch: Er soll zwei Patientinnen missbraucht haben. Die Vorwürfe der ersten hat er entkräften können und wurde vollständig rehabilitiert, doch wenige Monate später steht die Architekturstudentin Stefanie (Anna Maria Mühe) mit ihren Vorwürfen und waidwundem Blick vor seiner Praxistür, nachdem sie deswegen während einer ihrer Panikattacken fast von einer Rheinbrücke gesprungen wäre. Und wenig später klingelt dann auch schon die Ordnungsmacht, die auf der Ledercouch nach DNA-Spuren sucht und Blochs Anzugsakko beschlagnahmt.

Starker Tobak eigentlich, genau jene Mischung aus Abgrund und Fingerspitzengefühl, die diesen Trostspender zu einer der Paraderolle des vor wenigen Wochen verstorbenen Hamburger Schauspielers Dieter Pfaff machte. Man sieht dessen neuen, letzten Fall mit wehmütigen Augen, ganz anders, als es bei einer normalen, weiteren Folge gewesen wäre, von der man weiß, dass sie eine von einigen ist. Doch am Ende bleibt das betrübliche Gefühl, dass der letzte „Bloch“ nicht der beste war.

Woran es liegt, ist ziemlich schnell erklärt: weder an Pfaff noch an Mühe, die ihren gegensätzlichen Rollenformaten – dicker alter Seelenklempner und verstörtes junges Ding aus guter Familie – alles mitgeben, was es zum Nachdenken über richtig und falsch, wahr und gelogen braucht, weil es so einfach eben doch nicht immer ist. Mühe bewältigt diesen Balanceakt zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt sehr sehenswert.

Ulrike Krumbiegel als Blochs tapfere Frau Clara ist dagegen von grundguter Aufrichtigkeit; sie nimmt, wie es sich für liebende Gattinnen im Öffentlich-Rechtlichen gehört, eine Hypothek aufs Haus auf, damit Bloch auf Kaution aus der Gefängniszelle gelassen wird. Die Bruchstelle im Niveau dieses Absturzes einer Respektsperson befindet sich eher in der mehr und mehr betulichen und grobmaschigen Art, mit der die tiefgründige Geschichte erzählt und ausgeschmückt und letztlich verflacht wird. Pfaff als Bloch als Pfaffs Alter Ego muss nämlich so hanebüchen übersentimentale Dinge fragen wie „Bin ich jetzt im Himmel?“, als ihn seine Frau am Krankenbett besucht, nachdem ihn Mithäftlinge auf dem Knast-Bolzplatz verdroschen haben. Die Knackis, denen er sein Veilchen und die Gesichtsbeulen verdankt, inszeniert die Regie von „Bloch“-Routinier Michael Verhoeven so haudraufdoof platt, als hätte der WDR diese mit Tattoos bemalten Komparsen günstig auf irgendeiner RTL-Vorabend-Resterampe geleast.

Qualität steckt im Detail — wenn das schiefgeht, hilft der Rest auch nicht

Qualität steckt nun mal in solchen Details, und wenn sie so drastisch schiefgehen, kann der Rest es nicht wieder rausreißen. Auch die Schmunzelkrimi-Aufmachung von Blochs Anwalt, der mit Fahrradhelm und Strebergestus brav auf dem Moped ins Geschehen tuckert, trägt nicht dazu bei, dass der Ernst der Lage in diesem „Bloch“, als Figur vor zwölf Jahren von Peter Märtesheimer, Pea Fröhlich und Pfaff konzipiert, ernst genommen werden kann. Um die Verwirrung der Gefühle zu unterstreichen, wird der Bruder der Studentin mit Nachdruck als allzu nahestehender Verwandter angeboten und damit als möglicher Teil ihres Problems mit allen anderen Männern. Die Ausgangskonstellation dieses Psycho-Thrillers hätte ein viel besseres und weniger simples Ende verdient als jene Weichzeichner-Auflösung, mit der sich Pfaff vom Bildschirm verabschiedet.

„Bloch: Die Lavendelkönigin“ Mi, 24.4., 20.15 Uhr, ARD