Die Philharmoniker spielen unter Simone Young zwei Verlusterzählungen aus dem 20. Jahrhundert

Laeiszhalle. Beim achten Konzert des Philharmonischen Staatsorchesters weht ein bittersüßer, schwerer Duft durch die Laeiszhalle, gemischt aus Verzicht und Entsagung, aus imaginierter Liebeserfüllung und Abschiedsweh. Im ersten Teil leitet Simone Young 23 Solostreicher durch Richard Strauss’ „Metamorphosen“, den Schwanengesang des über 80-Jährigen, der im vorletzten Kriegsjahr die Zerstörung für ihn wesentlicher Kulturbauten zum Anlass für ein letztes großes, ganz in der Tradition des 19. Jahrhunderts geschriebenes Werk nahm. Bei der Matinee am Sonntag gaben sich die Dirigentin und ihre Solisten Mühe, den großen Puls dieser Verlusterzählung strömen zu lassen. Doch die Musik mit all ihren an den Pulten geteilten Stimmen hält zugleich fortwährend Zwiesprache mit sich selbst, sie ist Kammermusik einer höheren Ordnung, und als solche verlangt sie nach minutiös ausgestaltetem Binnengefüge. Dem fehlte es hier an Transparenz und Feinheit; die vertikale Textur geriet gegenüber der horizontalen ins Hintertreffen.

Umso lebendiger gestaltete Young nach der Pause mit ihrem nun groß besetzten Orchester Alexander Zemlinskys „Lyrische Sinfonie“ (1922). Vor dem zwischen Fin-de-siècle-Wehmut und rastlosem emotionalen Gewühle changierenden sinfonisch-expressionistischen Klangpanorama sangen sich der charismatische Bariton Bo Skovhus und die Sopranistin Michaela Kaune ergreifend das Herz aus dem Leib. Die farbintensiv instrumentierte Musik zur süffigen Poesie von Rabindranath Tagore wirkt wie ein Trittstein zwischen dem Werk von Gustav Mahler und dem von Alban Berg. Als wüsste die Musik im Zeitalter der voll entwickelten Zwölftonmethode von ihrer Hinfälligkeit, klammert sie sich umso inniger an das, was sie gehen lassen muss.

Philharmonisches Konzert Mo 22.4., 20.00, Laeiszhalle (U Gänsemarkt), Johannes-Brahms-Platz, Karten zu 9,- bis 44,- unter T. 35 76 66 66