Regisseur, Hauptdarsteller und Bluegrass Band stellen das Drama „The Broken Circle“ im Abaton vor

Hamburg. Anruf um neun Uhr vormittags in New York. Felix van Groeningen ist schon auf den Beinen, denn er ist noch „im europäischen Modus“, wie er sagt. Der Regisseur ist beim Tribeca Film Festival zu Gast, um seinen Film „The Broken Circle“ vorzustellen. Das passiert Filmemachern aus Belgien auch nicht jeden Tag. Sein Drama handelt von einer Amour fou zwischen einem leidenschaftlich nonkonformen Atheisten, Romantiker und Bluegrass-Musiker, der eine bodenständige junge Tattoo-Studio-Inhaberin trifft, die ihre Kunst auf der eigenen Haut zu Markte trägt. Der Regisseur und seine Hauptdarsteller stellen den Film am heutigen Montag im Abaton vor, im Anschluss an die Preview spielt die Broken Circle Breakdown Bluegrass Band, die man auch im Film sieht und hört.

Und darum geht’s: Zunächst überwinden Elise (Veerle Baetens) und Didier (Johan Heldenbergh) ihre großen Unterschiede mit noch größerer Liebe, und sie bekommen eine Tochter. Aber als die kleine Maybelle (Nell Cattrysse) an Krebs erkrankt, gerät auch die Beziehung ihrer Eltern in Gefahr. Der Film nimmt das Publikum mit auf eine Achterbahnfahrt der Gefühle und wird dabei immer wieder von Songs der Bluegrass Band unterbrochen, die wie ein griechischer Chor wirken und mit ihren Texten das Geschehen kommentieren. Bei der Berlinale wurde „The Broken Circle“ heftig bejubelt und gewann den Publikumspreis.

Der Film basiert auf einem Theaterstück, dessen Autor und männlicher Protagonist Heldenbergh war, der jetzt auch im Film die Hauptrolle spielt. Regisseur van Groeningen sah sich das Stück an, war begeistert, hatte aber starke Zweifel, ob man so einen Stoff für das Kino adaptieren könne. „Das Stück war erstaunlich, dabei frappierend einfach. Es war eigentlich nur ein Konzert, das von längeren Passagen unterbrochen wurde, in denen der Mann und die Frau ihre Geschichte erzählten. Es war eine sehr emotionale Reise.“ Er wusste nicht, wie er es umsetzen sollte, also versuchte er es mit mehreren verschiedenen Zeitebenen. Das funktionierte. Heldenbergh hatte sich nicht am Drehbuch beteiligt und van Groeningen damit völlig freie Hand gelassen, was diesen erstaunte. „Wie hat er das nur geschafft? Es ging doch um sein Stück, das ihn zum Star gemacht hatte. Wahrscheinlich haben ihm nicht alle Änderungen gefallen. Aber er hat sich strikt im Hintergrund gehalten.“ Das galt aber nur für die Vorbereitungszeit, denn während der Dreharbeiten entfaltete der Schauspieler vor der Kamera eine ganz starke Präsenz.

Das Filmplakat zeigt den mit Tattoos bedeckten Rücken von Hauptdarstellerin Veerle Baetens. Der Hautschmuck ist ein Beispiel dafür, was sich bei der Umsetzung des Bühnenstücks auf die Leinwand geändert hat. „Im Theaterstück erwähnt die Darstellerin nur, dass sie Tätowierungen hat. Als ich das Drehbuch schrieb, fiel mir auf, dass man die Tattoos ausführlich zeigen könnte und baute diese Idee zum Leitmotiv aus, indem ich sie zur Tätowiererin machte, die ihr Leben mithilfe ihrer Tattoos erzählt. Da muss man gar nicht viel erklären.“

Im Film gibt es nur eine musikalische Farbe: Bluegrass. Privat spielt Musik im Leben von Felix van Groeningen keine so große Rolle. „Seltsamerweise wird sie in meinen Filmen aber immer wichtiger. Normalerweise habe ich eine oder zwei aktuelle CDs, die ich spiele, bis ich sie nicht mehr hören kann. Das kann monatelang so gehen. Zuletzt ist mir das mit einem Album von Nick Cave passiert.“

Zu den berührenden Szenen des Films zählen die mit der krebskranken Tochter, die von ihren Eltern im Krankenhaus besucht wird. Mit erstaunlicher Sicherheit spielt Nell Cattrysse sie. Szenen mit Kindern sind ohnehin nicht einfach. Wie bereitet man als Regisseur so etwas vor? „Nell hat sich wohl ein bisschen in Johan verliebt, und Veerle hat sie mal ein Wochenende mit zu sich nach Hause genommen. Sie wurden so etwas wie eine echte Familie. Und sie hat sehr gern gespielt. Ihr sind die schwierigen Szenen leichter gefallen als uns. Das hat dem Team wiederum sehr geholfen.“

Das belgische Kino hat in den vergangenen Jahren schon häufiger auf sich aufmerksam gemacht. Im Fahrwasser der Dardenne-Brüder hat sich eine lebendige Szene entwickelt. Felix van Groeningen legt hier seinen vierten Spielfilm vor, auch der Vorgänger „Die Beschissenheit der Dinge“ war in deutschen Kinos zu sehen. Sein Produzent Dirk Impens hält ihm den Rücken frei, der Regisseur kann sich ganz auf das Spielfilmgeschäft konzentrieren. „Das ist eine luxuriöse Situation für mich“, freut er sich. „Bei uns entstehen auch gute TV-Programme und kreative Werbeclips. Die Stimmung ist momentan sehr positiv.“

„The Broken Circle“ Mo 22.4., Film 19.30, Konzertbeginn ca. 22.00, Abaton (Metrobus 4/5), Allende-Platz 3, T. 41 32 03 20, Karten 13,-/12,-; www.abaton.de