Im Restaurant Marcos Platz in Winterhude möchte man die Speisen am liebsten siezen, so viel Autorität strahlen sie aus. Trotzdem wird man dort hervorragend bemuttert und bevatert.

Drei Winterhuder Spitzenitaliener konkurrieren an der Sierichstraße miteinander: Der Neue neben dem Gallo Nero und Il Cantuccio hat ein Wortspiel gewagt, es funktioniert – der Wirt heißt Marco Mazzocchi, geboren in Norditalien, er liebt Venedig und den Markusplatz fast so sehr wie Hamburg und empfängt seine Gäste jetzt im Restaurant Marcos Platz. Der Markusplatz gilt ja als Salon Europas, während Marcos Platz nach zwei Monaten bereits den Ruf eines Hamburger Salons hat; Edelküche, aber nicht nur für Edelleute.

Zehn Jahre lang herrschte an dieser Ecke der Römer Massimo, der sich ungefragt an die Tische stellte und die Kundschaft ungefragt mit seiner „Philosophie“ vollquatschte. Marco sagt erst mal kein Wort zu viel, plaudert aber auf Anfrage – wie Carmen und Virginia, seine beiden Kellnerinnen, sie sind Profis (und nicht von der Universität ausgeliehen). Die Eleganz der beiden Räume (40 Plätze) wird niemanden einschüchtern, sondern beruhigen, Gemütlichkeit siegt.

Marco, ein Italiener ohne Auto (!), geht mit seinem Korb auf den Markt und zum Fachhändler oder in den Bioladen, er kauft nur die Produkte, die abends auf den Tisch kommen sollen: Marco ist ein Frischefanatiker statt Lagerist, sodass Gerichte auch mal „aus“ sind. Sein Koch Salvatore stammt von Sizilien, das bedeutet, er hasst Sahne und verherrlicht die Tomate. Diese Leidenschaft im Blick habe ich zuletzt bei Doktor Schiwago gesehen. Salvatores Speisen haben jederzeit Autorität, ja, ich will das Essen hier siezen – Kalbsbries und Calamari con Pimentos, Gnocchi mit Ricotta, Pilzen und Speck, die Fischravioli mit Safran, die Kaninchenröllchen in Senfsauce und den Seeteufel mit Meeresfrüchten. Die Jakobsmuschel entwickelt sich fast überall zum Langweiler, aber nicht bei Salvatore und seiner Version „Vecchia Romagna“. Die Aubergine bleibt vorerst mein Lieblingsgemüse, sie war mit Parmesan im Ofen. Gelegentlich lässt Salvatore auch die Austern der Franzosen lutschen. Wegen des Kalbskoteletts, das am Nebentisch duftete, habe ich sogar wieder angefangen, Fleisch zu essen, was für ein Glück! Das Kotelett kostet 27,50 Euro, eigentlich ein Sonderangebot bei der Qualität plus Kräuterrakete und Kochleistung (die Vorspeisen beginnen bei 9 Euro, die Hauptgerichte bei 19,50 Euro).

Wir tranken eine Flasche Weißwein (den Vernaccia von Terruzi & Puthod, 19 Euro) und eine Flasche Rotwein (den Sira von Falesco, 24 Euro), denn Leib und Seele sollten im Gleichgewicht sein. Nächste Woche wird Marco wahrscheinlich die Terrasse öffnen, dann müsste das Finanzamt endlich seine Schulden an mich zurückgezahlt haben, und ich kann den Barolo bestellen (Stroppiana/Zoccolai, 74 Euro).

Mich stört nicht mal, dass es hier kein Fassbier gibt: Das Wohlbehagen hält sich noch Stunden nach einem Besuch bei Marco; selten so bemuttert und bevatert worden.

Marcos Platz Mo, Mi–Sa 17.30–22.30, So 12.00–14.30 und 17.30–22.30, Sierichstraße 112 (U Sierichstraße), T. 88 23 81 92; www.marcosplatz.de

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