TV-Dokumentation „Gerhard Richter, Painting“ zeigt den teuersten Gegenwartsmaler der Welt von einer sensiblen Seite. Selbstzweifel ist ihm genauso eingeschrieben wie das Vertrauen in die eigene Schaffenskraft.

Es sei eine heimliche Angelegenheit, das Malen. Nicht geeignet für die Öffentlichkeit, sagt Gerhard Richter fast gequält mitten in diesem Film, der über weite Strecken nichts anderes tut, als ihn bei ebendieser heimlichen Arbeit zu zeigen. Nun ist sie plötzlich ins Stocken geraten. Richter weiß nicht weiter.

Auf zwei quadratischen Großformaten hat er über Tage mit einem breiten Pinsel Farbe in alle Richtungen aufgetragen. Erst Zitronengelb, dann mit Blau in Lücken, die er ließ, schließlich mit Rot ins Blau und ins Gelb. Später nimmt er Spachtel und meterlange Rakel und schiebt die Farbmasse kreuz und quer über die Leinwand. In solchen Momenten sieht Richter-Malen manchmal fast wie Bergsteigen aus. Ein mühsames Anlaufen gegen Widerstände räumlicher und innerer Art.

Worauf habe ich mich da eingelassen, scheint Gerhard Richter zu denken, wie dumm von mir. Ich wusste es ja. Dass die Kamera ihm beim Malen, diesem so intimen, physischen Akt, zusehen, dass er nicht, wie sonst im Atelier, allein sein würde – so war es ausgemacht mit der Filmemacherin Corinna Belz, und es zählt zu den vielen Stärken ihres Porträts „Gerhard Richter, Painting“, wie sie diesen Moment, der ihr Projekt beinahe zum Kippen gebracht hätte, in ein produktives Element verwandelt.

Richter, der teuerste und am meisten bewunderte Gegenwartsmaler, dem die bedeutendsten Museen der Welt große Einzelausstellungen widmen, Richter, der Große, der Schwierige, der Unnahbare: Hier ist er als ein Mensch zu erleben, dem der Selbstzweifel genauso unauslöschlich eingeschrieben ist wie das Vertrauen in die eigene künstlerische Schaffenskraft. Und das eine untrennbar vom anderen.

„Ich kann das nicht draufschmieren. Es geht nicht.“ Malen unter Beobachtung, das sei schlimmer als in der Klinik sein.

Corinna Belz stellt ihm nun einfache, naheliegende Fragen. Dabei löst sich etwas. Unmerklich geht es nicht mehr nur um das schwer erträgliche Beobachtetwerden durch die Filmemacherin und ihr Kamerateam. Es geht um die Essenz des Malens. Richter spricht von der Scheu, ja, von der Feigheit des Künstlers, der sich ins Atelier verkriecht und von dort aus Anschläge in die Welt hinaussendet. Der sich versteckt, um gesehen zu werden. Er spricht vom Malen als einem „aggressiven Geschäft“, und er zitiert Adorno, der gesagt hat: „Jedes Bild ist der Todfeind des anderen.“

Gegenüber der für den Zuschauer unsichtbar bleibenden Filmemacherin, die mit ihren Fragen wie eine Psychoanalytikerin behutsam und zielsicher ins Herz der Dinge vordringen möchte, ist der große Schweigsame irgendwie wehrlos. Ihr gibt Richter, der nach ein paar frühen Fernsehmagazin-Porträts in den 60er-, 70er-Jahren beinahe 20 Jahre lang niemanden mehr mit einer Filmkamera an sich heranließ, Auskunft. Bereitwillig – das wäre zu viel gesagt. Richter äußert sich wortkarg. Lapidar. Wesentlich. Wenn je ein Mund sichtbar zum Schweigen gemacht war, dann seiner.

Corinna Belz’ Dokumentation bekam den Deutschen Filmpreis 2012 und lockte, wie die kofinanzierende Film- und Medienstiftung NRW mitteilt, in Deutschland immerhin fast 100.000 Menschen ins Kino. Der Film wurde in mehr als ein Dutzend Länder verkauft und spielte allein in den USA 250.000 Dollar ein. Kein Wunder, Gerhard Richter ist ein Mythos zu Lebzeiten. Sein Ruhm verdankt sich seiner abstrakten Malerei ebenso wie seinen fotorealistischen Arbeiten, seiner Obsession mit dem Thema der eigenen Familie wie mit der Geschichte des Faschismus, seiner intensiven Beschäftigung mit medial vermittelten Bildern der Gegenwart wie mit dem Ende der RAF in Stammheim.

Belz bringt all dies anhand von unmittelbar vorhandenem Bildlichem zur Sprache. Sie befragt Richter nach den „Vorbildern“, womit nicht Maler früherer Epochen oder Zeitgenossen gemeint sind, die es bei Richter natürlich auch gibt, sondern visuelle Quellen oft fotografischer Natur, aus denen er seine Motive ableitet. Wir sehen Richter auf Vernissagen tapfer Öffentlichkeit aushaltend, bei Ausstellungsvorbereitungen. Zwei Assistenten und die Atelierleiterin kommen zu Wort, auch seine Frau.

„Gerhard Richter Painting" hat einen besonderen Rhythmus, und der Film klingt. Musik von Kurtág, Cage und Dietmar Bonnen fügt sich mit den Materialklängen des Malens und der halligen Akustik des Ateliers zu einer Tonspur, die mit der geistigen Frequenz von Richters Malerei durchaus mithalten kann.

„Gerhard Richter Painting“ Arte, heute, 21.45 Uhr