Fernsehstar Thekla Carola Wied und Peter Franke liefern sich in „Geliebter Lügner“ ein spitzzüngiges Wortduell. Die pointierten Dialoge des Paars auf Distanz geben Einblick in eine leidenschaftliche Lovestory.

Ernst Deutsch Theater. Who is George Bernard Shaw? Wer kennt denn heute noch den irisch-britischen Dramatiker, Satiriker und Schriftsteller, der 1925 den Nobelpreis erhielt und 1939 einen Drehbuch-Oscar für die Filmfassung seiner später auch noch als Musical „My Fair Lady“ weltberühmt gewordenen Gesellschaftskomödie „Pygmalion“? „Er war ein Ultralinker, Rebell und Pazifist“, sagt Thekla Carola Wied. „Darum ist er mir auch so sympathisch“, legt Peter Franke nach: „Er war nicht nur ein glänzender Dialogschreiber in seinen Stücken, die viel zu wenig gespielt werden, sondern auch ein kritischer, politischer Kopf und leidenschaftlicher Redner.“ Die Schauspieler probieren am Ernst Deutsch Theater „Geliebter Lügner“ und sind im Gespräch nach der Probe noch richtig in Fahrt, werfen sich verbal die Bälle zu und geben Anekdoten zum Besten.

Wolf-Dietrich Sprenger inszeniert den von Jerome Kilty bearbeiteten, mehr als 30 Jahre währenden Briefwechsel zwischen Shaw (1856–1950) und der zu ihren Glanzzeiten berühmten britischen Bühnendiva Stella Patrick Campbell (1865–1940). Die Korrespondenz, zwei Jahre nach Shaws Tod veröffentlicht, erzählt etwas über die (gemeinsamen) Biografien und die Weltsicht des engagierten Autors und Sozialisten. Die pointierten und spitzzüngigen Wortduelle des Paars auf Distanz geben zugleich Einblick in eine kratzbürstige und leidenschaftliche Lovestory. Sie geht ab 18. April über die Mundsburg-Bühne.

„Stella Stellarum, wie Shaw einmal die Campbell nennt, war jung und schön und hat eigentlich eine Tragödie ins Leben des älteren und verheirateten Mannes gebracht“, meint Franke. „Er war Protestant und Puritaner, Gefühle und Sexualität waren wohl nicht seine Stärke. Die war das Wort.“ Shaw war durch und durch Literat, und die Begegnung mit Campbell stürzte ihn aus dem emotionalen Gleichgewicht: in eine Liebesbeziehung in Briefen, die für die Partnerin allerdings auch nicht gerade das große Glück war. Haben sie nun oder haben sie nicht? Die interessante, aber eigentlich unwichtige Frage beantworten die beiden Schauspieler mit einem Blick lächelnden Einverständnisses: „Wir gehen davon aus, dass es so eine Situation gegeben haben könnte und sie sich über die Distanz einmal nähergekommen sind.“

Neben der Liebe sind Alter und Krieg Themen im Stück. „Was damals die Dardanellen und der Gallipoli-Feldzug waren, ist heute Afghanistan. Der Krieg greift in Biografien ein und zerstört Menschen“, sagt Franke. Es zeige auch den Niedergang einer großen Schauspielerinnen-Karriere, ergänzt Wied. „Solange die Campbell auftrat, war sie eine Legende. Dann kam der Erste Weltkrieg, sie bekam keine Rollen mehr und starb verarmt und vergessen. Traurig.“ Dagegen hätte sie ein Riesenglück, meint die populäre Darstellerin facettenreicher Frauencharaktere. „Ich hätte mir nicht träumen lassen, dass ich mit bald 70 noch immer vor der Kamera stehe.“

Die Produktion, ihre zweite am Ernst Deutsch Theater, sei auch ein Spaziergang in die gemeinsame Vergangenheit, eine Art Klassentreffen. „Ich habe mit Sprenger am evangelischen Gymnasium zum Grauen Kloster in Berlin Abitur gemacht“, erinnert sie sich. Wie fiel es denn aus? „Beide mittelmäßig, gloob ick“, berlinert Wied scherzhaft. Sie und Franke kennen sich ebenfalls aus jungen Jahren: Anfang der 60er-Jahre besuchten sie die Folkwang-Hochschule in Essen. Deshalb verstehen sie sich wohl auch auffallend gut, obwohl sie nur einmal zusammen die skurrile Fernsehkomödie „Traumfrau mit Verspätung“ drehten.

Fernsehen und Theater seien zwei verschiedene Berufe, betonen Wied und Franke. „Mir fällt es leichter, eine Rolle als Figur durchzuspielen“, gibt der Fernsehstar zu. „Wir springen zwischen Lesen, Schreiben und Spielen hin und her. Natürlich ist das raffiniert und hat seinen Reiz, ist aber auch eine Herausforderung.“ Regisseur Sprenger erfinde fantasievoll Situationen und unterscheide präzise zwischen den Spielebenen, was eine große Hilfe sei. „Wir dürfen uns bei den Briefen nicht ausruhen, müssen in der Präsenz und Spielspannung bleiben.“ Kollege Franke gebe ihr außerdem Sicherheit, meint Wied. „Du ruhst in deiner Mitte“, macht sie dem Schauspielpartner ein charmantes Kompliment. „Das überträgt sich dann auch auf mich.“

„Geliebter Lügner“ Premiere Do 18.4., 19.30, Ernst Deutsch Theater (U Mundsburg), Friedrich-Schütter-Platz 1, Vorstellungen bis 18.5., Karten zu 18,- bis 34,- unter T. 22701420