Bei der Langen Nacht der Museen waren am Sonnabend 30.000 Menschen unterwegs. Das Twitterangebot des Veranstalters wurde hingegen kaum genutzt

Hamburg. Bis zum offiziellen Startschuss um 18 Uhr via Twitter ist es zwar noch eine Weile hin, doch die beiden Damen mittleren Alters sind nicht zum ersten Mal dabei. Daher wissen sie, dass nur frühes Erscheinen einen Sitzplatz im Bus garantiert. Während an der provisorischen Bushaltestelle auf dem Deichtorplatz also der Bierwagen aufgebockt wird, überprüfen die beiden noch einmal ihren Plan: „Die Route muss im Vorfeld ganz genau geplant werden. Und selektieren muss man auch“, erklären sie. Selektieren heißt: Man sollte seine Favoriten kennen, denn für insgesamt 53 Museen wäre auch die längste Nacht zu kurz. Dabei, so die beiden Damen, habe sich das Programmheft „bestens bewährt“. Vom „neumodischen Twitterkrams“ wollen sie nichts wissen, obwohl sich die Veranstalter einiges von dem schnellen, sozialen Nachrichtenportal versprechen: Die Besucher sollen sich untereinander Programmtipps geben.

Unter der Skulptur des nackten Jünglings (Feldmanns „David“) haben die Hochbahner ihre Köpfe für eine letzte Lagebesprechung zusammengesteckt. Dann, zwei Minuten vor sechs, strömen sie wie auf Kommando auseinander. Die Dieselmotoren der Busse starten, unter den Wartenden beginnt es zu rumoren. Es gibt zwei Besuchertypen: Die einen gelassen, da sie auf ihre geplanten Routen vertrauen. Die anderen zunehmend nervös, als sich die Bustüren öffnen. Jetzt herrschen nur noch Gedränge, Pressen und Schubsen, bevor sich der erste Schwung in Bewegung setzen kann, endlich.

In diesem Jahr ist für viele das Polizeimuseum der erste Anlaufpunkt. Als der Bus auf den Hof der Polizeikaserne in Alsterdorf rollt, raunen die Fahrgäste: Hier begehren mindestens 300 Menschen in einer langen Schlange Einlass. Eine junge Frau aus dem Grindelviertel wartet hier nun schon seit etwa einer halben Stunde. Sie fröstelt. „Ich bin hier, weil es mal etwas Neues ist“, sagt sie tapfer. Eine freundliche Mitarbeiterin des Museums hält einen Klickzähler in der Hand. Die Frau vom Grindel wird Nummer 374.

Wer es in die Ausstellung geschafft hat, kann sich über die Geschichte der Hamburger Polizei im Dritten Reich, über Tatortarbeit und Kriminaltechnik informieren. Ein pensionierter Polizist führt die Besucher durchs Museum. Er deutet auf zwei braune Bücher in einer beleuchteten Vitrine. „Wissen Sie, was das ist? Dies sind die Hitler-Tagebücher – das dachte zumindest der ‚Stern‘.“ Alle lachen.

Auf Twitter ist zu diesem Zeitpunkt außer Werbung der Veranstalter nicht viel zu lesen. Draußen wächst die Besucherschlange weiter an, ein Trupp Frustrierter gibt auf und nimmt Kurs auf die Kunsthalle. Sie ist das Epizentrum der Langen Nacht der Museen. Auf dem Vorplatz diskutiert eine Gruppe Studenten darüber, ob es wohl möglich sei, Bierflaschen ins Museum zu schmuggeln. Am Ende siegt der Durst, sie trinken draußen aus. Der Andrang vor der Giacometti-Ausstellung ist wie zu erwarten besonders groß. Aus den Ausstellungsräumen dringen die Klänge feiner Jazzmusik, und in den frohen Gesichtern der Besucher ist abzulesen, dass sich dieser Programmpunkt gelohnt hat. Das Geschiebe und Geschubse nimmt zu.

Noch mehr Leben herrscht im Prototyp-Museum. Im Keller der Ausstellung ist gegen 24 Uhr eine ausgelassene Party im Gange. Mehrere Männer nutzen die Gelegenheit, ihre Begleiterinnen vor einem Bentley, einem Porsche oder einem Mercedes posieren zu lassen. Manche tun dies mit so viel künstlerischem Anspruch, dass daraus wohl gar ein großformatiger Wandkalender entstehen könnte.

Auf Twitter bedanken sich derweil die ersten Besucher für „den schönen Museumsabend“. Insgesamt haben sich 140 „Follower“ registriert; doch das ist ziemlich enttäuschend angesichts der Menschenmassen an den Bushaltestellen. Dabei sein ist eben alles, twittern eher nichts.