Der „Tatort“ aus Frankfurt ist der letzte gemeinsame Fall des Ermittlerduos Nina Kunzendorf und Joachim Król. Der Film von Lars Kraume (Buch) und Edward Berger (Regie) ist ein Totentanz in Moll.

Jeder einsame Mann braucht eine Sonne, an der er sich wärmen kann. Und wenn er keine findet, weil der Himmel Wolken wie Granittrümmer auffährt, bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich auf die Sonnenstrahlen im Herzen zurückzuziehen. Bislang war es Conny Mey, die in Steiers Leben die Sonne scheinen ließ. Zumindest in den geteilten Revierstunden. In Lederjacke und Absätzen wie Baumstämmen verwandelte sie Büroflure in Bühnen. Haute Kloppersätze raus und erschlich sich mit Lebenshunger und unverstelltem Menscheninstinkt das Vertrauen des einzelgängerischen Kommissars. Nun trennen sich ihre Wege. „Wer das Schweigen bricht“ ist nach fünf Einsätzen der letzte gemeinsame „Tatort“, in dem Nina Kunzendorf als Cowboyermittlerin Mey an der Seite von Joachim Króls Vollblutmelancholiker Frank Steier Mordfälle in Frankfurts Hinterhofecken löst.

Der Film von Lars Kraume (Buch) und Edward Berger (Regie) ist weniger ein Abschiedswalzer als ein Totentanz in Moll. Eine düstere Milieustudie zwischen Justizvollzugsanstalt, Pathologie und Krankenhausstation.

Ein jugendlicher Insasse wird beim morgendlichen Zellenaufschluss tot aufgefunden. Er wurde gefoltert; acht Zehennägel hat man ihm gezogen. Von den blutigen Füßen, die in diesem Krimi ins Bild grätschen, kriegt der Zuschauer ernsthaft aufgestellte Nackenhaare. Aber die Frankfurter Folgen gehörten schließlich nie zu den Gute-Laune-Krimis, in denen drollige Kommissare nach entführten Eichhörnchen fahndeten. Steier-Mey-Fälle sind ans Licht gezerrte Albträume, schnell und hart. Die Straßenköter im „Tatort“-Rudel.

„Das Leben geht weiter“ – diesen Satz haucht Kunzendorf zu Beginn des Films bildfüllend und mit weit aufgerissenen Augen in die Kamera, als sie dem Chef von ihren Plänen berichtet, die Mordkommission für einen Job an der Polizeischule in Kiel einzutauschen. Junge Leute, Wissensdurst, Hoffnung für die Zukunft, so stellt sie sich das vor. Flucht als Heilmittel. Steier ist längst jenseits der Begeisterungsschwelle. Er macht den Job, weil ihn ja einer tun muss. Hat den Schnaps griffbereit im Büroschrank und eine Menge Leichen im Keller, tatsächliche und metaphorische. Mey knöpft ihm vor dem Verhör erst mal das Hemd richtig zu. Aber im Grunde ist der ganze Mann irgendwie schiefgeknöpft. Verbeult.

Der Fall löst sich in „Wer das Schweigen bricht“ ziemlich simpel auf – wie im richtigen Leben oft auch. Unterwegs hat er die hermetische Welt des Knasts in kalten, bläulichen Farben ausgeleuchtet, ein Vorhof zur Hölle. Hier tummeln sich Neonazis und Migranten, Pseudomafiosi und verlorene Seelen. Schutzgeld, Drogengeschäfte und Schuldenlisten sind die Währung, in der an diesem Ort gehandelt wird. Das Frankfurter Polizeirevier steht dem Knast in ästhetischer Hinsicht übrigens kaum nach: Büros in Ockertönen, Neonröhren an der Decke, abgewetzte Ledersessel. Der Glamour parkt anderswo.

„Ihre Jungs sind tot, meine leben noch“, sagt die Sozialarbeiterin (Nele Müller-Stöfen) zu Kommissar Steier. Wobei nicht auszumachen ist, wer das Rennen um den deprimierendsten aller Jobs für sich entscheiden kann. Auch Conny Mey ist in diesem letzten „Tatort“-Fall weniger knallig als gewohnt.

Wie am Freitag bekannt wurde, ermittelt künftig Margarita Broich an der Seite von Król. Bekannt wurde die Schauspielerin durch zahlreiche Theater- und Fernsehauftritte - und als die Ehefrau von („Tatort“-Kommissar) Martin Wuttke. Von Kommissarin Mey bleibt ein angewelkter Blumenstrauß zurück. Und die Erinnerung an jede Menge unvergessliche Auftritte.

„Tatort: Wer das Schweigen bricht“, So 20.15 Uhr, ARD