Der Hamburger Musikjournalist und „Nachtclub“-Gründer Peter Urban feiert seinen 65. Geburtstag

Hamburg. In München oder in Frankfurt ist er nur „Mister Grand Prix“. Der Mann, der seit 1997 den Eurovisions-Songwettbewerb live im Fernsehen kompetent und teilweise bissig kommentiert und dem an diesem Abend mehr als 20 Millionen Fernsehzuschauer zuhören. Seine Stimme kennt ganz Deutschland, „aber die meisten Leute wissen gar nicht, was ich sonst so mache“, sagt Peter Urban. Wer in sein Büro im NDR-Funkhaus an der Rothenbaumchaussee kommt, sieht sofort, womit sich Urban den ganzen Tag beschäftigt: mit Popmusik. Auf seinem Schreibtisch stapeln sich Berge von CDs, der Besuchersessel dient als Ablage für ein paar englische Musikmagazine. Die neue digitale MP3-Welt hat es noch nicht bis hierhergeschafft.

„Wenn ich Sendungen wie den ,Soundcheck‘ auf NDR 2 mache, kann ich Musik aus dem Computerspeicher nutzen, aber Albumtitel sind dort meistens nicht drin“, erzählt er und streicht sich die kinnlangen Haare hinters Ohr. Die dunkle Matte ist inzwischen ergraut, aber zu einer Kurzhaarfrisur konnte Urban sich nicht durchringen. Das computergesteuerte Formatradio ist ebenso an Urban vorbeigegangen wie Haarmode. Er gehört zu den wenigen, die ihre Sendungen frei vom Zwang der Musikfarbe gestalten können, so wie vor fast 40 Jahren, als der damalige Doktorand seine ersten NDR-Sendungen gestalten durfte. Für norddeutsche Radiohörer ist „Mister Grand Prix“ seit Jahrzehnten eine Instanz.

Sein ursprüngliches Berufsziel hatte nichts mit Radio und Medien zu tun. „Wenn ich damals nicht diesen Brief geschrieben hätte, wäre ich jetzt Studienrat für Englisch und Geschichte“, sagt er. Damals meint: 1968, der Adressat war Klaus Wellershaus. Der hatte in den 60er-Jahren im NDR die „Musik für junge Leute“ kreiert. Und Urban hatte Wellershaus schriftlich auf einen Moderationsfehler hingewiesen. Der verabredete daraufhin ein Treffen mit dem Studenten. Es entwickelte sich eine lockere Zusammenarbeit, bis Wellershaus Urban dann 1974 als freien Mitarbeiter zum NDR holte: „Ich war quasi sein erster DJ“, sagt Urban und lacht.

Wellershaus, dessen Nachfolger Urban 2002 als Redaktionsleiter des „Nachtclubs“ auf NDR Info wurde, suchte kompetente Musikjournalisten und fand in Urban einen Mitarbeiter, der selbst Musiker war und für Pop und Rock brannte. Schon als Schüler flog Urban oft noch London, erlebte bei Clubkonzerten die Rolling Stones, Jimi Hendrix und Cream, später war der passionierte Fußballspieler ein Jahr lang Assistent Teacher in England und fuhr immer wieder ins „Swinging London“, wo sich Ende der 60er-Jahre eine spannende Underground-Szene in den Clubs entwickelte. Er erinnert sich an einen Auftritt von Eric Claptons Trio Cream, bei dem Jimi Hendrix als Gast auf die Bühne geholt wurde. Es war der erste Auftritt des Gitarristen in England — mit Peter Urban in der ersten Reihe. Der war genauso verblüfft wie Clapton und Co., als Hendrix zu „Killing Floor“ ein Solo mit den Zähnen spielte.

Im Laufe seines Berufslebens hatte Urban viele aufregende Begegnungen mit berühmten Musikern. Stundenlang könnte er davon erzählen, wie er mit Bonnie Raitt durch Blankenese gelaufen ist, von einem Gespräch mit einem völlig verschwitzten Bruce Springsteen nach dessen erstem Deutschlandkonzert im CCH im Jahr 1981, von Keith Richards Bourbon-Konsum während eines Interviews oder von den Schwierigkeiten, Diana Ross ein Mikrofon an eine nahezu durchsichtige Chiffon-Bluse zu heften. Ray Davies von den Kinks war bei ihm im Studio, ebenso Bryan Ferry, cool mit Sonnenbrille und Trenchcoat, und auch an David Bowie hat Urban nur die besten Erinnerungen.

Am Sonntag wird „Mister Grand Prix“ 65 Jahre alt, aber in Rente gehen wird er noch lange nicht. Zwar hat er dann etwas mehr Zeit für seine Familie und die Kinder Chiara, 14, und Jonah, 9, aber Peter Urban wird auch in Zukunft Sendungen für den NDR moderieren und aus dem immer größer werdenden Angebot die Musik auswählen, die ihm wichtig erscheint. Zum Glück für den NDR und seine Hörer heißt es auch nach dem 14. April: „Willkommen zum ,Nachtclub‘. Am Mikrofon ist Peter Urban.“