Der beliebte Schauspieler Markus Gillich spielt in der Ohnsorg-Premiere „Acht Froons“ schon zum dritten Mal eine weibliche Rolle.

Hamburg. Der Kerl kann eine überzeugend echte Frau sein. Markus Gillich, seit 2008 am Ohnsorg Theater und nun festes Ensemble-Mitglied, schlüpft zum dritten Mal in weibliche Figuren und Kleidung. Er spielt in „Acht Froons“ die Köchin Gerda mit einem dunklen Geheimnis. Sie hat ein lesbisches Verhältnis mit der Schwester des ermordeten Hausherrn. Gillich bezauberte schon als Aschenputtel in „Rock op Platt III“ und parodierte Mireille Matthieu treffend in „Kerls dör un dör!“ Gendercrossing ist nun also auch im Ohnsorg angekommen. Regisseur Frank Grupe lockert mit Gillichs Besetzung das konservative Gesellschaftsbild des traditionsbewussten Volkstheaters und bringt es auf die Höhe aktueller Inszenierungspraxis, in der Frauen Männerrollen übernehmen und Männer Frauenrollen.

Für den 35-jährigen Schauspieler, der nicht nur wegen seiner weichen Gesichtszüge und der braunen Haartolle als zehn Jahre jünger durchgeht, beginnt eine Frauenrolle mit den Schuhen. „Ich bewege mich in Pumps anders, der Körper hat eine leichtere Bodenhaftung, so empfinde ich das.“ Natürlich studiert er die Kolleginnen, die ihn lieben, weil er ihnen als Mann letztlich doch keine Konkurrenz macht. Der Schauspieler spricht in einer Frauenrolle auch nicht mit höherer Stimme. „Ich verstelle sie nicht, gebe ihr nur einen leichteren Hauch, lege in mein Sprechen mehr Gefühl und Wärme hinein.“

Sein Vorbild, an eine Frauenrolle heranzugehen, ist Dustin Hoffman im Film „Tootsie“: „Er spielt die Frau nicht äußerlich, drückt nicht drauf, sondern zeigt die Zerbrechlichkeit und Verletzlichkeit, die eine Frau mehr hat als ein Mann.“ So vermeidet Gillich die Gefahr einer weiblichen Karikatur oder das Tuntenhafte einer grellen Travestie. Er entwickelt den jeweiligen Charakter und dessen Biografie während des Probierens über die Emotionen und im Dialog mit dem Regisseur: In einem inneren und nicht nur äußerlichen Verwandlungsprozess durch Perücke und Kostüm.

Frank Grupe wählte Gillich, weil er in seinen Augen einfach eine wunderbare Frau sein kann. „Ich wollte auch ein Moment der Irritation für die Zuschauer“, erklärt der Regisseur seine Entscheidung. Denn es sei ja nicht so, dass es im Ohnsorg an Schauspielerinnen fehlte. „In Robert Thomas’ Krimikomödie geht es jedoch auch um Tabu-Brüche, die in ihrer Entstehungszeit 1961 noch skandalöser wirkten und mehr auffielen als heute.“ Köchin Gerda sieht er als ruhenden Pol in der aufgeregten Frauengruppe, als einen robusten und warmherzigen Typus.

Die Beschreibung charakterisiert in gewisser Weise auch den Mann Gillich. Er hat etwas von einem Naturburschen, ruht in sich, ist sich seiner selbst sicher und kann auch darum selbstverständlich und unverkrampft Frau sein. Er wuchs in Nordbayern auf, spielte schon in der Schule Theater und in der Amateurgruppe seines Heimatorts Buttenwiesen. Weil ihn Schauspielschulen ablehnten, ging er seinen eigenen Weg über das Gesangstudium in Augsburg und eine Tournee mit dem Kindermusical „Ritter Rost“. Kollegin Sandra Keck entdeckte ihn für das Ohnsorg – und der Bayer lernte dank seines guten Gehörs, seiner Musikalität, mithilfe von Hörbüchern, Kollegen und fleißigem Üben Niederdeutsch. „Ich kannte das Ohnsorg nur aus dem Fernsehen und war überrascht, dass sie nicht Missingsch, sondern Platt sprechen.“

Als weit größere Herausforderung empfand Gillich den Restauranttester Stefan Leonhard in der Ohnsorg-Studio-Aufführung „Indien“. Der bisher meist in Komödien oder Kinderstücken eingesetzte Schauspieler hatte sich immer gewünscht, ernste Rollen zu spielen. „Es war plötzlich komisch für mich, nun ein ernstes Stück zu spielen und ich bekam Panik.“ Doch er hat die Feuerprobe bravourös bestanden.

Wie der Schauspieler zwischen Dialekten und den Geschlechtern wechseln kann, so auch zwischen Tragik und Komik. In der Figur der Köchin Gerda versteht er sicherlich, beides zu verbinden und wieder seine weibliche Seite auf die ihm eigene ehrlich natürliche Weise ins spannende Spiel um die Aufklärung eines Mordes zu bringen.

„Acht Froons“ 14.4., 19.00, Ohnsorg Theater, Premiere ausverkauft, Vorstellungen bis 25.5., Karten unter T. 350 80 321; www.ohnsorg.de