Der Tenor Ian Bostridge singt “Opfergang/Immolazione“ von Hans Werner Henze

Intelligenz hat noch stets geholfen. Sogar bei Tenören. Der Brite Ian Bostridge gehört zu jenen Sängern, die ihr Publikum nicht primär mit ihrem Stimmklang, sondern mit der Intensität der Deklamation, des Erzählens, mit der Unmittelbarkeit der Kontaktaufnahme fesseln. Entsprechend konsistent war die Dramaturgie seines Liederabends in der Laeiszhalle vergangene Saison - und entsprechend spannend ist es, was sich der promovierte Historiker und Philosoph für seine Residenz ausgedacht hat, die ihn im April für vier Konzerte nach Hamburg führt.

Einer darf dabei nun wirklich nicht fehlen, und das ist Benjamin Britten. Der Dritte unter den großen Komponisten, deren Geburtstage sich dieses Jahr runden (muss man noch erwähnen, dass die anderen beiden Verdi und Wagner heißen?), war ein seinem Publikum und seinen Interpreten in der Fassbarkeit seiner Musik stets zugewandter und doch so tief- wie feinsinniger Tonsetzer. Manche seiner Partien scheint er Bostridge geradewegs in die Kehle geschrieben zu haben. In Wahrheit waren sie natürlich für Brittens Lebens- und Kunstgefährten Peter Pears gedacht, dem Bostridge nun einmal stimmlich wie phänotypisch ähnelt. Unvergessen, wie der junge, noch unbekannte Sänger 1992 im "War Requiem" seine Stimme einem erschossenen Soldaten lieh und dem Publikum mit einem schlichten Satz den Atem verschlug: "I'm the enemy you killed, my friend."

Um Britten herum setzt Bostridge handverlesene und durchaus eigenwillige Schwerpunkte: In drei Konzerten zwischen dem 26. und 30. April stellt er den gemäßigt Modernen in Beziehung zu Komponisten der Renaissance, zu Bach - und zu Freunden, die er als Mitstreiter mitbringt.

Vorher aber, am kommenden Montag, erweist Bostridge einem anderen Komponisten die Ehre: Hans Werner Henze. 2010 wirkte Bostridge in Rom an der Uraufführung von dessen dramatischer Kantate "Opfergang/Immolazione" mit. Antonio Pappano dirigierte damals das Orchestra dell'Accademia Nazionale di Santa Cecilia. In derselben Besetzung kommt das Werk nun in die Laeiszhalle. John Tomlinson singt einen Hundemörder, Bostridge das Schoßhündchen.

Das Werk auf ein Gedicht von Franz Werfel ist das einzige, das Henze je im Auftrag einer italienischen Institution geschrieben hatte, obwohl er ein halbes Jahrhundert lang ein Anwesen südlich von Rom bewohnt hat. Zeitlebens nagte es an ihm, dass die Ayatollahs der Neuen Musik aus Darmstadt und Donaueschingen seine Musik für zu leicht befunden hatten, der Publikumszuspruch konnte ihn darüber nicht hinwegtrösten. Die Hamburger Aufführung konnte er nicht mehr miterleben, im Oktober 2012 ist der Komponist in Dresden gestorben.

"In memoriam Hans Werner Henze" Mo 15.4., 20.00, Laeiszhalle (U Gänsemarkt), Karten zu 10,- bis 75,- unter T. 35 76 66 66

Die weiteren Konzerte: "Bostridge, Britten & Friends" Fr 26.4., "Bostridge, Britten & die Renaissance" So 28.4., "Bostridge, Britten & Bach" Di 30.4.; jew. 20.00, Laeiszhalle; www.elbphilharmonie.de