Die Hamburger Journalistin Hanni Hüsch hat in “So sieht uns die Welt“ Ansichten zahlreicher Korrespondenten über Deutschland versammelt.

Ein Soldat in SS-Uniform im idyllischen Kent, der wochentags als Postbote arbeitet und in seiner Freizeit Nazi spielt. Ein griechischer Hobbymaler, der davon träumt, in Berlin eine Bar zu eröffnen. Ein türkischer Taxifahrer, der seinen Bruder, einen Bergarbeiter, in Deutschland beerdigen musste. Es sind teils skurrile, teils anrührende, immer interessante Figuren, die dem Leser in den 15 Geschichten des Buches "So sieht uns die Welt - Ansichten über Deutschland" (Westend Verlag) begegnen.

Die Journalistin Hanni Hüsch hat deutsche Auslandskorrespondenten von Israel bis Italien gebeten, in knappen Strichen die Stimmung einzufangen, die derzeit im Ausland Deutschland gegenüber herrscht. "Mögen und trauen uns die Menschen in anderen Ländern? Wie sehr ist akzeptiert, das die deutsche Lokomotive schnaubend Europas Fahrtrichtung vorgibt?", schreibt Hüsch im Vorwort. "Es war höchste Zeit, nachzufragen bei europäischen Nachbarn, bei Freunden, alten Feinden und bei neuen Partnern." Hanni Hüsch war bis 2012 Leiterin des ARD-Studios in Washington, seit September vergangenen Jahres ist sie zurück in Hamburg und leitet beim NDR die Abteilung "Ausland und Aktuelles".

Hamburger Abendblatt: Frau Hüsch, was war ausschlaggebend für ein Buch über die Selbstbespiegelung der Deutschen?
Hanni Hüsch: Die Deutschen lieben die Selbstbespiegelung. Wenn es dafür eines letzten Beweises bedarf, dann ist es die Vielzahl der Talkshows im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Die Idee zu "So sieht uns die Welt" kam zu einer Zeit, als spürbar war, dass sich in unserer Außenwirkung etwas tat, das über das Bierfest-und-Lederhosen-Klischee hinausging. Bundeskanzlerin Angela Merkel war auf der Titelseite der "New York Times" und des "Wall Street Journals", sie wurde hofiert, galt in Amerika als "tough cookie", als ganzer Kerl. In Spanien, Italien und Griechenland wurde sie dagegen in Nazi-Uniform auf den Titelblättern abgebildet.

Nun geht es im Buch ja nicht nur um den politischen Betrieb, sondern auch um die Stimmung in den jeweiligen Völkern.
Hüsch: Wir wollten zwar Entscheider, aber auch einfache Leute zu Wort kommen lassen. Sie bilden die Grundstimmung eines Landes ab. Mich hat interessiert: Greifen Klischees noch? Nimmt man uns immer noch als pünktlich, besserwisserisch, regelwütig wahr? Was jedenfalls gilt: Der Deutsche bleibt an der roten Fußgängerampel stehen, während der Amerikaner, der Franzose unbeirrt weitergeht.

"Nach meinen acht Jahren in Ägypten summiert sich die volkstümliche Rezeption des eigenen Deutschseins im Nahen Osten auf den Dreisatz: Mercedes, Ballack, Hitler", schreibt Thomas Avenarius, der "SZ"-Nahost-Korrespondent. Wie lautet Ihr amerikanisches Pendant zu diesem Korrespondenten-Resümee?
Hüsch: Götter im Autobauen - Drückeberger an der Front. Wir werden bewundert für die Kraft unserer Wirtschaft; wer aber so erfolgreich ist - das ist Amerikas Credo -, der muss auch sonst Verantwortung übernehmen, eben auch militärisch. Da sind wir aus US-Sicht etwas sehr zurückhaltend, zu sehr auf unsere Geschichte fixiert. Warum seid ihr so wenig stolz auf euer Land, warum ist euch Selbstkritik geläufiger als Eigenlob, das bin ich häufiger gefragt worden. Grundsätzlich genießen wir aber hohe Sympathiewerte.

Sie sind im September 2012 zurückgekehrt nach Hamburg. Verspüren Sie Wehmut, wenn Sie an die Korrespondentenzeit denken?
Hüsch: Das Angebot, für die ARD aus Washington zu berichten, war ein Sechser im Lotto. Ich hatte eine wunderbare Zeit, fordernd, auf- und anregend. Nach Washington guckt die Welt. Aber den regelmäßigen Korrespondentenwechsel halte ich für wichtig. Irgendwann wird man ein Stück betriebsblind. Die besten Geschichten über ein Land macht man, wenn man mit staunenden Augen darauf blickt.

Auslandskorrespondent ist ein privilegierter, mitunter aber auch gefährlicher Job. Gerade erst ist der ARD-Reporter Jörg Armbruster im nordsyrischen Aleppo beschossen und schwer verletzt worden. Hätten Sie einen Korrespondentenjob in einem Krisengebiet angenommen?
Hüsch: Ich würde es tun, weil es zu meiner Aufgabe als Journalistin gehört. Aber gern würde ich es nicht tun. Ich habe mit Jörg Armbruster kurz vor dem Anschlag gesprochen. Er ist ein sehr bedächtiger Kollege, der nie unbedacht in eine Situation hineinreiten würde. Er brennt für den Reporterjob, will sein Filmprojekt über den Nahen Osten unbedingt zu Ende führen. Als er die Augen nach dem Anschlag geöffnet hat, soll er übrigens als Erstes gesagt haben: "Die Bilder, die ich gedreht habe, könnt ihr senden." Wenn man als Korrespondent vor Ort ist, will man, dass die Geschichten aus dem Land gehört werden.