Der Kabarettist Jörg Maurer hat mit “Unterholz“ einen humorvollen und raffinierten Kriminalroman abseits des gängigen “Alpenkrimi“-Flachsinns geschrieben

Liest man das vom Verlagsmarketing kreierte Schlagwort "Alpenkrimi" auf dem Cover eines Romans, darf man sich in der Regel getrost einer anderen Lektüre zuwenden. Bei Jörg Maurer, Kabarettist und Autor aus München, ist das anders. In seinen bislang fünf Kriminalromanen um den kauzigen Kommissar Hubertus Jennerwein verbindet Maurer auf das Unterhaltsamste intelligent gebaute Spannung mit einer dezent grotesken Form des Humors, die nie ins vordergründig Schenkelklopfende und Effektheischende abgleitet.

In "Unterholz", Maurers aktuellem Kriminalroman, befindet sich Jennerwein gleich zu Beginn in einer äußerst misslichen Lage. Um Hals, Hände und Fußgelenke sind ihm Stahldrähte gebunden, die an einem Ast hoch über ihm verknotet sind. Bewegt sich Jennerwein, so schneiden ihm die Drähte schmerzhaft ins Fleisch. Mit dem Bauch auf dem feuchten Waldboden liegend, sieht der Kommissar neues Ungemach direkt auf sich zukommen. Wenige Zentimeter vor seinem Gesicht hocken gut zwei Dutzend schwarze Käfer. Der Volksmund nennt sie Aaskäfer. Keine schönen Aussichten.

Es dauert gut 400 Seiten, bis der Leser erfährt, wie und warum Jennerwein in diese durchaus peinigende Position geraten ist. Dann hat Maurer seine furiose Geschichte fast zu Ende erzählt. Aber eben nur fast.

Auf den Seiten dazwischen berichtet Maurer von einer eigenartigen Tagung beim Almwirt Ganshagel auf der Wolzmüller-Alm, die oberhalb eines idyllischen, aber namenlos bleibenden Kurortes liegt. Dort hat sich eine Gruppe von Männern und Frauen zusammengefunden, um ihre wenig öffentlichkeitswirksamen Geschäfte zu besprechen. Es ist die geheime Tagung von international agierenden Auftragskillern, die kommunikative Defizite innerhalb ihrer komplizierten Branche aufarbeiten wollen. Die Stimmung ist so lange freundlich konspirativ, bis der Almwirt eine Frauenleiche am Rande des Tagungshotels findet. Das Besondere daran: Die Frau ist nicht nur tot, sie hat auch kein Gesicht mehr. In Windeseile löst sich das Killermeeting auf, mit einer weiblichen Leiche will man besser nichts zu tun haben.

Jennerwein stellt die Tote ohne Gesicht vor einige Rätsel: Niemand will sie gekannt, nicht einmal irgendwann lebend gesehen haben. Lediglich das Bestatterehepaar a. D. Grasegger hat eine Vermutung. Bei der Ermordeten, so munkeln die rüstigen Grabeshüter, könnte es sich um die "Äbtissin" handeln, eine berüchtigte Auftragskillerin, die als eine der professionellsten Akteure ihrer Branche gilt. Die Äbtissin, so sagt man nahezu ehrfürchtig von ihr, hinterlässt keine Spuren.

Maurers Geschichte ist ungemein amüsant und süffig geschrieben. Bei allen Skurrilitäten hält sie durchgängig die Spannung, glänzt mit kleinen kuriosen Milieuschilderungen und leuchtet schlaglichtartig die nicht selten schlichten Charaktere aus. Doch was nach außen schlicht wirkt, sieht im Inneren schon mal anders aus. Hubertus Jennerwein etwa spricht die Sprache des eingeborenen Almmenschen, ist aber ein durchtriebenes Kerlchen, das es mit den Mördern der "Äbtissin" schlank aufnehmen kann. Ein weiterer Toter droht die bajuwarische Kurortidylle zwar endgültig zu atomisieren, aber Jennerwein bleibt stoisch und ruhig. Was ihm zwischenzeitlich nicht unbedingt zum Vorteil gereicht. Siehe Aaskäfer im Anmarsch.

Klüpfel & Kobr mögen in der Kategorie "Alpenkrimi" noch erfolgreicher sein als Maurer, dessen Buch auch die Bestsellerliste ziert. Qualitativ aber hat der Kabarettist die Nase weit vorn.