In aktuellen Folgen um die Zeichentrickfigur geht es schrill zu, Kinderprogramm kann dieser Tage mit Stille und Langsamkeit wenig anfangen.

Achtung! Platz da! Maja ist in Eile! Kaum hat Helene Fischer Karel Gotts alte Melodie zum Neoschlager gestampft, hetzt die berühmte Biene durch computeranimierte Wiesen, vorbei an weiteren Figuren in 3-D. Schon die erste Minute des Serien-Remakes kommt als Kakofonie moderner Kinderunterhaltung, Pardon: hippen Kids-Entertainments daher. Zumindest im Vergleich zu früher. "Ich weiß gar nicht, was ich euch erzählen soll", sagte Flip zum Auftakt der echten Pilotfolge, "im Moment passiert nicht so viel." Und alles gab ihm 1976 recht: blasse Farben, stille Bilder, kaum Ton, nur ein Grashüpfer, dessen Leben, "ganz schön langweilig" sei. Stille alte Welt.

Denn gelangweilt sein, aber vorwiegend heiter, also einfach Kind - das durfte bloß eine Generation, nachdem jede zuvor nach der Geburt sehr schnell sehr reif werden musste. Heute gibt es statt Feldarbeit zwar reichlich Freizeit, doch Langeweile gerät darin zum Luxus: Kleinkinder haben Handys, Grundschüler Termine, Realschüler Existenznot, Eliteschüler Burn-outs, alle also viel Stress. Es war ein kurzer Frühling der Langsamkeit. Auch am Bildschirm. Dort sieht der Jenaer Soziologe Hartmut Rosa eine "erbarmungslose Steigerungslogik". Selbst öffentlich-rechtlich, meint Armin Maiwald, gehe es "schrill und schreiend bunt" zu. Als der Produzent vor 42 Jahren die "Sendung mit der Maus" erfand, geschah in der Röhre - fast nichts. Statt Reizgewitter gab es Kopfkino, das Kinderprogramm war ein langer ruhiger Fluss. Bei "Wickie" etwa, der ebenfalls dreidimensional erneuert wird, bewegten sich 1972 trotz Eroberungssujets oft nur die Lippen. Kurz darauf mag Paulchen Panther Verfolgungsjagden in Reimform kompiliert haben; ihr Tempo war noch geringer als die Zahl der Schnitte. Sogar "Captain Future" stand oft regungslos vor starrem Hintergrund.

Zu regungslos, glaubt das ZDF. "Mit dem alten Material erreicht man jetzige Generationen nicht mehr", sagt Redaktionsleiterin Irene Wellershoff. Also hat ihr Sender die Animes im Team mit dem französischen Kanal TF1 zum Minutenpreis dicht am "Tatort" aufgemotzt, bis daraus ein Effekthagel wurde, der viel Fantasie erstickt und die Zielgruppe schon mal daran gewöhnt, dass ihre Zeit vorm Flatscreen mit dem Schuleintritt von 73 Minuten auf eineinhalb Stunden und bald darauf das Doppelte steigt. Adäquat bedient vom ZDF, das ja auch Schillers Werke anders inszenieren müsste als 1950. Sagt Wellershoff. Und misst einfach mal Kinder am Maßstab Erwachsener.

Dabei stimmt es ja: die Eindrucksebbe alter Formate versorgt moderne Ansprüche ähnlich unter wie das sozialdemokratische Realfilmrelikt "Rappelkiste". Minutenlange Ereignislosigkeit, gab Ki.Ka-Programmchef Steffen Kottkamp vor seiner Entlassung zu bedenken, "habe mit drei Sendern funktioniert"; bei Hunderten ohne Scheu vor Knalleffekten sei jede Betulichkeit anachronistisch, ergo: nicht konkurrenzfähig. Schließlich haben sensorische Sperrfeuer von "Ninja Turtles" bis "Power Rangers" vor 20 Jahren mit der Bildsprache auch die Sehgewohnheiten verändert. Selbst beim Kinderkanal, 1997 als werbefreie Alternative zu SuperRTL installiert, steigt da die Schlagzahl. Trotz Senderauftrag kann sein Sender "nur fördernd auf Kinder einwirken, wenn sie uns auch zusehen".

Die Generalüberholung klassischer Serien auf kommerzielles Niveau wäre also legitim, klänge sie nicht so nach Kapitulation, vollzöge sie sich mit Bedacht. Doch was aller Nostalgie droht, zeigt neben Maja auch Garfield: Vor 24 Jahren hatte der Kater bei Sat.1 die Dynamik eines Felsmassivs, seit 2008 jagen ihn Killerkuchen durch Farbexplosionen, bis die Iris flattert. Selbst der bedächtige Ki.Ka-Cartoon "Yakari" kommt nicht mehr ohne Splitscreen. Und überall steigt der Schallpegel. Dabei können "laute und plötzliche, heftige und unvorhergesehene Geräusche, Stimmen und Musik" aus Sicht des Medienpädagogen Jan-Uwe Rogge Angstzustände erzeugen.

Und die Fähigkeit zur Abstraktion blockieren, zum Runterregeln. Soziologe Rosa hält Fernsehen da zwar generell für ungeeignet; doch vom Sound bis zum Schnitt "waren alte Serien insofern kindgerechter, als sie mehr Zeit zur Vertiefung" ließen. Die "rasch wechselnden Simulationsflächen" von jetzt seien untauglich, TV-Neulinge etwas Wesentliches zu lehren: "Sich selbst zu ertragen." Im Augenblick versinken, abschweifen - für diese Kindertalente lässt das Kinderfernsehen immer weniger Raum. Der Frühling ist vorbei.