Eine beeindruckende Ausstellung über Ateliers in Hamburg zeigt Orte der Kreativität

Kunsthaus. Sonderlich strecken braucht sich Naho Kawabe nicht, um beide Wände ihres Ateliers in der Hopfenstraße zugleich mit dem Körper zu berühren. So winzig ist es. Auch deshalb ist die japanische Künstlerin dazu übergegangen, kleinformatig zu arbeiten. Wenn sie Installationen herstellt, baut sie sie ausschließlich vor Ort, also nicht im Atelier auf. Sonst würde sie ja selbst auch gar nicht mehr reinpassen. Zwei Jahre lang hat sich der Fotograf Hayo Heye zu Naho Kawabe und weiteren 99 Hamburger Künstlern auf den Weg gemacht, mit immer demselben Weitwinkelobjektiv in immer derselben Zeit hat er ihre Ateliers fotografiert, große und kleine, dunkle und helle. "Wo Kunst entsteht: Hayo Heye - Künstlerateliers in Hamburg" ist eine Ausstellung, die den 50. Geburtstag des Kunsthauses am Klosterwall feiert, mit einer Tour d'Horizon durch die Arbeitsräume alter und junger Künstler.

Manche wie Peter Piller waren geschickt: Sie haben ihre Kunstproduktion an Bildschirme verlegt, und die brauchen nicht viel Platz. Andere wie Thorsten Brinkmann, Träger des Finkenwerder Kunstpreises, haben permanent Platzprobleme, weil sie raumgreifend arbeiten. "Ein Atelier zu haben, das hat viel damit zu tun, etwas liegen lassen zu können, sich zu konzentrieren, Abstand zu nehmen, nachzudenken", sagt Kunsthauschef Claus Mewes. Nur: Ateliers sind Mangelware. Zehn bis 15 Prozent der in der Ausstellung gezeigten Arbeitsplätze gibt es nicht mehr. Wenn ein Künstler irgendwo bezahlbar unterkommt, weiß er nie, wie lange.

Hayo Heye hat 100 Kreative fotografiert, die ein Atelier haben. Und drei, die keins haben, drei von einer kaum schätzbaren Anzahl Künstler, die entweder zu Hause arbeiten, bei Freunden oder auf dem Land oder in wechselnden Räumen. Wie Kunst hierzulande zustande kommt, darüber macht man sich normalerweise keine Gedanken. Die Ausstellung im Kunsthaus kann ein Anstoß sein, über Arbeitsbedingungen von Künstlern nachzudenken und sie im Idealfall zu verbessern.

13 Künstler in neun Ateliers am Brooktorkai beispielsweise können dort nur arbeiten, weil ein nobler Hamburger Reeder ihnen seit sechs Jahren den Differenzbetrag zur ortsüblichen Miete zahlt. Ein Jahr hat er noch verlängert, wie es Ende 2013 weitergeht, wissen sie nicht.

Goesta Diercks, der mit anderen Künstlern für einige Zeit im leer stehenden Haus Spaldingstraße 1 untergekommen war, musste es räumen, damit darin das Winternotprogramm Platz finden konnte. Das Haus daneben steht weiterhin leer, wie insgesamt 1,2 Millionen Quadratmeter in Hamburg. Die Künstler verstehen nicht, warum sogar städtische Gebäude jahrelang leer stehen und warum sie nicht für wenig Miete darin malen dürfen.

Hayo Heye hat sich häufig ausführlich mit seinen "Fotomodellen" unterhalten, deren Räume er aufgenommen hat, und er weiß, wie es steht: "Ich kenne fast keinen Künstler, der nicht nebenbei arbeitet, weil er nicht von der Kunst allein leben kann." Die Ausstellung vermittelt dem genauen Betrachter aber noch mehr, etwa die Erkenntnis, dass es immer wieder Phasen gab, in denen man Künstler mitten in der Stadt und nicht an ihren Rändern haben wollte: Der Maler Heinz Glüsing zum Beispiel arbeitet seit mehr als 50 Jahren in einem Atelier an der Alster, das seit gut 100 Jahren in Künstlerhand ist. Eine Rarität und das letzte von rund 20 Ateliers, die Alfred Lichtwark, der erste Direktor der Hamburger Kunsthalle, einst bauen ließ. Immer wieder wurden Politiker und Stadtplaner wach und taten etwas für Künstler: In die Grindelhochhäuser integrierte man von vornherein eine ordentliche Anzahl heller Ateliers wie das des grauhaarigen DG Reiß.

Doch andernorts denken die meisten Künstler beim Einzug gleich den Auszug mit: Annika Unterburg hat überhaupt keinen Stuhl in ihrem kahlen Atelier am Beerenweg, nur ein paar Platten mit Böcken drunter, die man ins Auto laden kann, um ins nächste Provisorium zu ziehen.

Neuer Wall, Gänsemarkt, Jungfernstieg, Spitaler Straße - früher gab es eine Menge Ateliers in der Innenstadt. Heute muss man sie suchen. Hayo Heye musste nach Billbrook fahren, nach Rothenburgsort, Eilbek und auf die Veddel. Zentralere Ateliers sind fast durchgängig älter, aus Zeiten, als man noch wusste, was sich in einem Stadtviertel ändert, wenn Künstler dort arbeiten. Als man diesen Tatbestand nicht nur ausnutzte, um in das nun belebte Quartier zu investieren. Und die Künstler wieder an die Luft zu setzen.

Hayo Heye: "Wo Kunst entsteht. Künstlerateliers in Hamburg." bis 21.4., jeweils Di-So 11.00-18.00, Kunsthaus (U Steinstraße), Klosterwall 15; www.kunsthaushamburg.de