So ein Abend ist eigentlich wie eine Wundertüte, bei der man schon weiß, was drin ist. Eigentlich. Wäre da nicht der Faktor Schamoni.

Hamburg. Der Merchandise-Stand ist die Stelle eines Konzertes, an dem die Gunst der Fans in Konsum umschlägt. Und an diesem Verkaufstresen liegen beim Auftritt von Rocko Schamoni in der Fabrik nicht bloß T-Shirts, Bücher und CDs. In einer Vitrine und per Video wird auch die Schmuckkollektion des Wahl-Hamburgers präsentiert: "Scheiße by Schamoni". Jene Vokabel lässt sich da als glänzender Schriftzug für Hals, Arm oder Finger erstehen. Und flugs fällt einem dieses Sprichwort ein: Aus Scheiße Gold machen. Ein Motto, das gut auf Schamonis Schaffen zutrifft. Und das sich bestens ergänzen lässt. Denn der 46-Jährige macht aus Schmerzen Songs, aus dem Scheitern Geschichten und aus der Subversion ein Schmunzeln.

Nachdem Schamoni sich in den vergangenen Jahren auf Regie, Romane und die Redefinition des Techno konzentriert hat, ist er nun auch wieder mit jenen Liedern zu erleben, die er bis 2007 veröffentlichte. Das Programm, mit dem der norddeutsche Dandy jetzt auf Tour ist, heißt "Songs & Stories". Und diese sind den vielen Anhängern, die nach Altona gekommen sind, oftmals gut bekannt. So ein Abend ist also eigentlich wie eine Wundertüte, bei der man schon weiß, was drin ist. Eigentlich. Wäre da nicht der Faktor Schamoni, der sich in seiner Bandbreite irgendwo zwischen Helge Schneider, Jochen Distelmeyer und Udo Jürgens bewegt.

"Wir warten darauf, erlöst zu werden von dir", säuselt eine Frauenstimme aus dem Off, bevor Schamoni unter Jubel im Gegenlicht die Bühne betritt und an seinem Lesetisch Platz nimmt. Er zupft sein braunes Sakko zurecht und verspricht dem Publikum, sich nun "öffentlich zu derangieren". Daher müsse er trinken und rauchen. "Zur Warnung", versteht sich. Denn der Held seiner Bücher, Michael Sonntag, habe Probleme mit Alkohol und Drogen. Und dann erzählt Schamoni auch schon von diesem Typen, der Kunst studieren will und als Gelegenheitsjournalist arbeitet, aber meist nur hofft, dass ihm "große Gedanken" kommen. Während er darauf wartet, sieht er fern.

Schamonis Lesung ist letztlich die Persiflage einer solchen. Ein bisschen Kindergeburtstag, ein wenig Kulturkritik. Er hüstelt gekünstelt, imitiert Dialekte, verstellt seine Stimme elektronisch, um eine Familiengroteske darzustellen, und als sein Protagonist Sex im Tulpenbeet hat, übertönt er die Begriffe unterhalb der Gürtellinie (zielgenau nicht) mit einer "Pornografietaste".

Nahezu besinnlich kommen im Vergleich dazu die ersten Songs daher. Schamoni und sein Musikerkollege Tex Strzoda intonieren alte Hits wie "Leben heißt sterben lernen" und "Mauern" mit Akustikgitarren und verhaltenen Drums im Kirchentagsstil. Kracher wie "Der Mond" erhalten später im Halbplayback mehr Wumms. Fazit: Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Aber den Titel seiner Schmuckkollektion überbietet Schamoni dann doch.