Der Roman “Brief in die Auberginenrepublik“ von Abbas Khider erzählt eine faszinierende Geschichte, die viele Leser verdient

Abbas Khider war 19 Jahre alt, als er verhaftet wurde. Die Anklage lautete auf politische Umtriebe gegen Diktator Saddam Hussein. Von 1993 bis 1995 saß Khider im Gefängnis, er wurde gefoltert. 1996 kam er frei und über verschiedene arabische Länder nach Deutschland. Dort lebt er seit dem Jahr 2000. Zwei Jahre später schon erhielt er die deutsche Staatsbürgerschaft, und im Jahr 2013 darf man ihn mit einigem Recht als einen der interessantesten jungen deutschsprachigen Gegenwartsautoren bezeichnen.

Soeben ist sein dritter Roman veröffentlicht worden, er heißt "Brief in die Auberginenrepublik" und erscheint wie die beiden Vorgänger in der Edition Nautilus. Der Bahrenfelder Verlag hat mit Khider ein echtes Juwel in seinem Programm: Bereits "Der falsche Inder" und "Die Orangen des Präsidenten" zeugten vom großen literarischen Können des Abbas Khider. Die Bücher ließen den Leser eintauchen in die rettungslos versunkenen Existenzen irakischer Widerständler, die vom Regime einkassiert und drangsaliert werden. Was bleibt, ist nur die Flucht, ermöglicht meist durch die Geldzuwendungen, mit denen Verwandte die Sicherheitsbehörden im Irak bestechen.

In "Brief in die Auberginenrepublik" ist es der 27-jährige Salim Al-Kateb, der nach einer geringfügigen "Verfehlung" sein Heimatland verlassen muss. Der Student der Literatur soll ein verbotenes Buch gelesen haben. Zusammen mit vier Kommilitonen wird er vernommen und ins Gefängnis geworfen. Ein Onkel kauft ihn frei, und spätestens jetzt hat das Leben, wie es der junge Mann aus Bagdad kannte, ein Ende. Die Handlung des kompakten, 160 Seiten starken Buches setzt im Jahr 1999 ein, da lebt Salim als Bauarbeiter in Bengasi, Libyen. Er ist ein Gastarbeiter, einer von sechs Millionen Irakern, die im Exil leben. Zurückgelassen in Bagdad hat er auch seine Liebe Samia, und mit der nimmt er Kontakt auf, sehnsüchtig und sorgenvoll. Er kann ja nicht den offiziellen Briefweg benutzen, weil der Brief sonst vielleicht nicht ankäme - oder weil er, der Verfemte, die Adressatin in große Gefahr brächte. Deswegen wählt er, nach zwei Jahren ohne Kontakt, den geheimen "Brief in die Auberginenrepublik".

Auberginenrepublik, so nennen die Iraker ihr Land, das Saddam Hussein im festen Griff seiner Verbrechen hält und das der Westen mit einem Handelsembargo straft. Es gibt Auberginen zu essen in allen Variationen, jeden Tag. Vier Jahre später werden die USA in das Land einmarschieren, jetzt hoffen viele Bewohner auf Post von den verschollenen Verwandten im Ausland. Es ist faszinierend, wie Abbas Khider zu Werke geht, um auf wenigen Seiten ein ganzes Kaleidoskop der arabischen Prä-Golfkriegs-Jahre zu entwerfen. Der Leser reist mit dem Brief durch Buch und Zeit, von Bengasi über Kairo und Amman nach Bagdad. Er heftet sich an die Fersen der Boten. Ein Reisebüroleiter, ein Taxifahrer, ein Lastwagenfahrer - unter anderem sie sind es, die gegen harte Dollars das wertvolle Schreiben über die Grenzen transportieren.

Khider lässt sie alle zu Wort kommen, und so wird "Brief in die Auberginenrepublik" zu einer vielstimmigen Beschreibung eines melancholischen Morgenlands. Die Libyer dürfen Fußballspieler nicht beim Namen nennen, auch in Ägypten und Syrien klagt man über die despotischen Familienrepubliken und Erbdemokratien. Es bleibt das bittere, aber gemeinsame Lachen über den eitlen Wahnsinn der Herrscher.

Überall gibt es Unterdrücker und Unterdrückte. Es gibt die ekelhaften Mechanismen der Macht, den Zynismus des Systems. Natürlich werden die Briefe in Bagdad abgefangen. Das Regime stellt Polizisten ab, die die Briefe lesen, um etwas über die Feinde der Herrschenden zu erfahren. Selbst die Boten sind unmoralische Geschäftemacher, denn sie wissen alles über die Machenschaften des Staates. Und dann lehnt sich in Abbas Khiders Roman doch eine der Privilegierten auf gegen das Unrecht, das tagtäglich den Deklassierten widerfährt, sie nimmt sich des Briefes an, der vielleicht mit ihrer Hilfe doch seine Adressatin erreichen kann.

"Brief in die Auberginenrepublik" ist ein schönes und bemerkenswertes Buch, das viele Leser verdient.

Lesung am 29. April, 19.30 Uhr, Literaturzentrum im Literaturhaus, Schwanenwik 38

Abbas Khider: "Brief in die Auberginenrepublik", Edition Nautilus, 155 Seiten, 18 Euro