Im ausverkauften Docks hatte die Hamburger Rockband doch etwas Mühe mit den Fans

Hamburg. Wie lange stand Shirley Bassey vor einigen Wochen auf der Bühne in der Laeiszhalle? Nur eine Viertelstunde. Aber die reichte, um das Publikum aus den Sesseln zu reißen. Eigentlich könnten Jan Plewka und seine Jungs auch ein Selig-Konzert auf ruhmreiche 15 Minuten beschränken. Einfach die viel geliebten Klassiker "Sie hat geschrien", "Wenn ich wollte" und "Ohne dich" abfeuern, 30 Euro einstreichen, und viele zahlende Fans wären schon zufrieden.

Natürlich bietet Selig mehr am Dienstag im ausverkauften Docks. Drei Alben vor der Auflösung 1999, drei Alben nach der Reunion 2008, da kommt genug zusammen für 130 Minuten Programm. Die Auftaktsongs "Ich lüge nie" und "Sie scheint" von der neuen Platte "Magma", "Schau Schau" vom Wiedervereinigungsalbum "Und endlich unendlich" und Bewährtes aus den 90er-Jahren wie "Arsch einer Göttin" und "Ist es wichtig?" leiden aber nicht nur an blecherner Abmischung, sondern auch an einer überraschend langen Auftauphase des Heimspiel-Publikums. Vielleicht ist es der kalte Zug, der durch die Eingänge bis in den Pulk pfeift. Mancher Gast hält sich mit angezogenen Handschuhen am Bier fest.

Selig hat zum Glück ein nicht geheimes Geheimrezept, das immer funktioniert

Jan, Christian, Stoppel, Leo und Malte rocken unbeirrt weiter, "5000 Meilen" weit "Von Ewigkeit zu Ewigkeit" bis in "Die alte Zeit zurück". Es hat schon mehr von einem Seminar in Überredungskunst als von einem Konzert, aber für den Beginn des letzten Drittels gibt es ja zum Glück das oben bereits erwähnte nicht geheime Geheimrezept: "Sie hat geschrien", "Wenn ich wollte" und "Ohne dich". Diese Lieder funktionieren immer. Besonders "Ohne dich", vielleicht der übertriebenste Heuler, der je von einer Hamburger Band aufgenommen wurde, wird vom ganzen Saal Wort für Wort mitgesungen, ach mitgefühlt. Seufz.

Für den letzten Zugabeblock ist das Feld entsprechend gut bestellt. "Alles auf einmal", "Mädchen auf dem Dach", "Wir werden uns wiedersehen" und "Regenbogenleicht" bekommen ihren gerechten Jubel. Eine starke Schlussphase beendet einen Konzertabend, der einem vielleicht nicht die Schuhe auszog. Aber, das zeigt der Blick zur Nebenfrau, immerhin die Handschuhe.