Alexander Schuberts Werk “Scanners“ erlebt mit dem Ensemble Resonanz an diesem Mittwoch im Kulturhaus III&70 seine Uraufführung

Kulturhaus III&70. Die Geräte haben keinen guten Ruf, nirgends. Obwohl oder gerade weil sie als sicht- und oft auch hörbare Boten des digitalen Zeitalters allgegenwärtig sind. Scanner lesen an der Supermarktkasse die gekauften Waren ein und quittieren jede erfolgreiche Lesung mit einem hässlichen Pieps. Bahnschaffner tragen mobile Ausprägungen davon mit sich herum, auch als elektronische Kartenabreißer bei Konzerten kommen sie zum Einsatz. Als lebensgroße Exemplare zum Zwecke menschlicher Durchleuchtung sorgen sie für hitzige Debatten darüber, ob sie, mit dem Präfix Nackt (und der entsprechenden Technologie) versehen, an Flughäfen zur Terrorismusabwehr eingesetzt werden dürfen oder ob das nicht doch zu viel des Guten, des Ängstlichen und Indiskreten sei. Der in Hamburg lebende Komponist Alexander Schubert, 1979 geboren, widmet diesen Apparaten mit "Scanners" ein ganzes Werk. An diesem Mittwoch ist im Kulturhaus III&70 Uraufführung.

Im Ensemble Resonanz dürfte Schubert die idealen Interpreten gefunden haben. Performance und andere Formen der Selbstentäußerung jenseits des Musizierens am Instrument sind für die Resonanzler längst Bestandteil ihrer Stellenbeschreibung. Insofern kann die Spielanweisung des Komponisten zu "Scanners" die acht beteiligten Musiker nicht schrecken: "Das Streichensemble wird, überspitzt gesagt, als eine Aufführungsmaschine präsentiert und wahrgenommen. Im Fokus steht die Bewegung des Abtastens, des Scannens - das Verhältnis von Mensch zu Maschine. Gleichermaßen unterstreicht die Mechanisierung die Präzision des Interpreten und die Eleganz der traditionellen Bewegung", schreibt Schubert. Es darf ein Konzerterlebnis zwischen Musik und Choreografie erwartet werden, das sich auf die hohe Spielkultur der Resonanzler stützen kann und sich zugleich der avanciertesten künstlerischen Mittel der Elektronik bedient.

Denn Schubert, der erst Bioinformatik und Kognitionswissenschaften studierte, ehe er sich ganz für die Musik entschied, ist ein ausgesprochener Könner auf einem Klangforschungsgebiet, das er den "erweiterten Musiker" nennt. Der lässt Musik nicht nur durch den physischen Kontakt mit seinem Instrument entstehen, sondern auch durch seine Bewegungen in der Luft, einer bekanntlich meist dünnen, in geschlossenen Räumen zudem gänzlich klanglosen Materie. Sensoren übersetzen diese Bewegungen in Klänge, deren Struktur der Komponist vorher festgelegt hat. Oft tritt das Gehörte noch in Beziehung zu einer Videoprojektion, die unmittelbar vom Akustischen gesteuert wird. In Schuberts solo "Laplace Tiger" spielt der präparierte Komponist sein magisch vielschichtiges Schlagzeug, oft ohne Fell- oder Beckenberührung, während von ihm erzeugte psychedelische Lichtspuren über die Wand flirren. in "Point One" trägt er als Dirigent des Ensembles die Sensoren und erzeugt Klänge aus dem Unsichtbaren. Der Taktstock wird buchstäblich zum Zauberstab. Diese artistische Form virtuellen Musizierens vermag im Zuhörer auch das Kind zu erwecken, das gebannt einem Zauberkunststück folgt. Sie verströmt eine überraschende Poesie.

Urbane Zeitgenossenschaft bezeugt der Spielort der Uraufführung. Das Haus III&70, in Kirschkernspuckweite des alten Flora-Gebäudes am Schulterblatt, ist das Domizil der Resonanz-Reihe "urban string", die unverdrossen Hochkultur auf den patinös verschmutzten Boden des Schanzenviertels bringen will. Obgleich die Konzertprogramme alles andere sind als Kompromissware für ein bloß amüsierwilliges Publikum, gedeiht der Zusammenprall der Kulturen zur allseitigen Zufriedenheit.

In der neunten Ausgabe von "urban string" spielt das Ensemble Resonanz außerdem das "Triple Quartet" des amerikanischen Minimalisten Steve Reich, das 1999 im Auftrag des Kronos Quartets entstand. Live wird das für drei Streichquartette komponierte Werk auch beim Ensemble Resonanz mithilfe von Zuspielungen realisiert. Zwei Quartette kommen vom Band, das dritte spielt in Echtzeit dazu auf der Bühne. Wenn man so will, ist auch diese frühe Form des Dialogs zwischen Mensch und (Band-)Maschine eine Art des Abtastens, freilich eine sehr humane. Zum Erkennen und Reagieren genügen ihr Ohren und Hände.

Ensemble Resonanz: "Scanners" Mi 27.3., 21.00, Kulturhaus III&70 (U/S Sternschanze), Schulterblatt 73, Karten zu 8,- an der Ak. oder im Vvk.