Der Hamburger Musiker Frank Spilker hat einen Roman geschrieben. Es ist ein Buch voll von platten Behauptungen - bieder und uninspiriert.

Hamburg. In einer Bar stürzen sich die Designer, Musiker und Labelmanager aufeinander, wahrscheinlich ist auch irgendwo ein Maler oder ein Performancekünstler: Small Talk der Kulturschaffenden. Einem gefällt es hier überhaupt nicht. "'Die Leute hier', ich mache eine raumgreifende Geste, 'reden ständig über das, was sie gerade tun. Es ist eine große narzisstische Störung und gleichzeitig so eine Art Börse. Am liebsten sind sie mir noch, wenn sie besoffen sind."

Das nennt man dann mal einen gepflegten Selbsthass, denn Thomas Troppelmann, der Held in Frank Spilkers Roman "Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen" ist Grafikdesigner, also selbst einer aus der Meute. Sein literarisches Debüt ist ein sagenhaft schlecht gelaunter Abgesang auf das Kreativmilieu.

Hat nicht bereits Sven Regener in seinem berühmten Buch "Herr Lehmann" einst mit dem verrückten Skulpteur Karl eine unvergessliche Figur geschaffen, die einen angst und bange werden ließ um das Seelenheil der Künstlerkaste? Regener ist sowieso das Stichwort, er ist ja von Hause aus Musiker (bei Element of Crime), aber als Autor viel erfolgreicher.

Das wird Frank Spilker eher nicht passieren. Spilker, Jahrgang 1966, ist eine feste Größe in der Hamburger Musikszene. Mit seiner Band Die Sterne ("Was hat dich bloß so ruiniert?") hat er sich in mehr als 20 Jahren als wichtige Stimme des deutschsprachigen Pop etabliert, als Songtexter ist er stellenweise brillant.

Die Parallelen zu Sven Regener sind also offensichtlich. Aber leider scheitert Spilker mit seinem Romanvorhaben grandios.

Dabei steht im Mittelpunkt des Geschehens eine Figur, die als typisches Großstadtgeschöpf das moderne Kreativprekariat idealtypisch repräsentiert. Thomas Troppelmann arbeitet in dem Grafikbüro Tropical Design auf St. Pauli. Er entwirft Albumcover für die Musikbranche, aber die ist ja den Bach runtergegangen und mit ihr auch sein Auskommen. Als er vergisst, den Mietvertrag zu verlängern, verliert er seinen Arbeitsplatz buchstäblich.

Was ihm übel auf die Laune schlägt, er mag nicht mehr. Die Freundin ist auch weg, die Kollegen sind sauer, weil sie nun kein Büro mehr haben, und Troppelmann begibt sich auf eine Fahrt durch die Republik. Er schläft mit einer früheren Bekanntschaft, besucht seine Eltern und dann einen Kurort, mit dem er traumatische Kindheitserinnerungen verbindet.

So weit, so normal und unspektakulär für eine Rahmenhandlung; Sinnkrisenverarbeitung findet ja vor allem im Kopf des Patienten statt. Welche Möglichkeiten gäbe es da, das Wegbrechen der Existenzgrundlage in einem melancholischen oder rasenden Tremolo der Wut zu schildern! Bei Troppelmann freilich findet sich nichts von alldem. Was auch daran liegt, dass sein Hass nicht ausgeprägt genug zu sein scheint, obwohl er doch vor den Trümmern seines Lebens steht. Die Bettgeschichte darf relativ ungestraft von "Typen" reden, "die bei euch herumhängen", als wären sie "irgendwie übrig geblieben", "genauso wie die Typen im Plattenladen". Recht hat sie damit natürlich - die Jobs, in denen dieser bedröppelte Troppelmann früher mal gearbeitet hat, gibt es nicht mehr.

"Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen" ist purer Masochismus, aber eben nicht in der Verkleidung des Komischen, wie es etwa dem Amerikaner Dave Eggers in seinem glänzenden Roman "Ein Hologramm für den König" gelingt.

Frank Spilker schreibt größtenteils bieder und uninspiriert, aus dem Fluchtinstinkt seines tragischen Helden folgt nichts außer platten Behauptungen: "Vernunft, das ist doch nichts anderes als die ödeste Realität." Spilker schneidet thematisch alles mal an - die Gentrifizierung, den Kulturpessimismus, die Selbstausbeutung, den Idealismus der Kunst, das stoische Festhalten an Lebensentwürfen - und schafft es doch nie, sein Buch mit Leben zu füllen. Was seinen Hauptgrund in der banalen Tatsache haben könnte, dass Thomas Troppelmann kein unbedingt sympathischer Mensch ist. Der Jammerlappen hat's halt schwer.

Spilker kann sich nicht entscheiden, ob sein Held ein verpeilter Abhänger oder ein träumerischer Kämpfer für die Welt von gestern ist, und so bleibt dann eben nur die Fadheit der schlechten Laune.

Surreale Textbausteine wirken seltsam unmotiviert. In Thomas Troppelmanns Absenz fällt eine auf einem Irrtum beruhende angebliche Wasserknappheit in Hamburg, die entstehende Aufregung könnte eine Metapher für die Weltuntergangshysterie mancher Kulturpessimisten sein, muss es aber nicht.

Irritierend ist die biografische Verknüpfung von Kindheitstrauma und beruflichem Misserfolg - als wäre der Verlierer der kulturellen Wende auf den Opferstatus abonniert. Am Ende retten auch einige hübsche Ideen dieses Debüt leider nicht: Die Geliebte lebt auf einigermaßen solidem Fundament, sie arbeitet im Altenheim. Altsein geht immer in Zeiten des Methusalem-Komplotts. Und die Büroräume der aufgelösten Agentur werden dem benachbarten Swingerclub angeschlossen. Auch Sex ist ein Dauerbrenner.

Frank Spilker: "Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen". Hoffmann und Campe. 159 Seiten, 19,99 Euro