Der Dirigent Heribert Beissel war ganze 14 Jahre lang Chef der Hamburger Symphoniker. Beissel feiert diesen Mittwoch seinen 80. Geburtstag.

Hamburg. Was ist Arbeit, was Vergnügen, was ist Dienst, was Freizeit? Musiker, denen ihr Beruf Berufung ist, geben auf diese Frage oft eine sehr praktische Antwort: Sie gehen ihrem arbeitsamen Vergnügen selbst an hohen Fest- und Feiertagen in eigener Sache nach. Heribert Beissel, der am heutigen Mittwoch sein 80. Lebensjahr vollendet und 14 Jahre davon als Chefdirigent der Hamburger Symphoniker wirkte, könnte für sich und seine vielen Freunde eine rauschende Party schmeißen, und vielleicht tut er das ja auch, after hours. Zuerst aber wird an diesem Geburtstagsabend in der Beethovenhalle zu Bonn festlich musiziert. Beissel dirigiert sein eigenes Wunschkonzert, Haydns Harmoniemesse und Bruckners 7. Symphonie. Es spielt, Ehrensache, die Klassische Philharmonie Bonn.

Es heißt, die Harmoniemesse verdanke ihren Namen der ungewohnt dominanten Rolle, die Haydn in der Instrumentierung den Bläsern beimaß. Das mag so sein. Aber dass Heribert Beissel für seinen Ehrentag ausgerechnet ein Werk mit diesem Titel gewählt hat, möchte man auch als Hinweis auf sein Verhältnis zu jenem hienieden instabilen Zustand deuten, dem die Musik von alters her zustrebt: Harmonie. Die Fähigkeit, diesen Zustand herzustellen, ihn nach Möglichkeit zu bewahren und auch bei unvermeidlichen Zwistigkeiten nicht aus dem Auge zu verlieren, bestimmt wenn nicht unmittelbar die Lebenserwartung, so doch das Maß an Lebenszufriedenheit des Menschen. Heribert Beissels Gesichtszüge und seine gleichermaßen abgeklärte wie gegenwärtige Art des Dirigierens legen selbst für ihm ferner Stehende die Vermutung nahe, dass er mit Lebenszufriedenheit, ja, mit Glück, reich gesegnet sei.

Beissel, am 27. März 1933 in Wesel geboren, studierte in Köln bei Günter Wand Dirigieren und bei Frank Martin Komposition, außerdem Klavier und Violine. Seine Karriere begann in der Stadt, in der bis auf den heutigen Tag das Zentrum seines Wirkens liegt: in Bonn. Dort war Heribert Beissel Erster Kapellmeister, als er zwei Tage nach seinem 25. Geburtstag im Hörsaal 1 der Universität das erste Konzert des Chur Kölnischen Instrumentalensembles dirigierte. Die von ihm gegründete Spielvereinigung etablierte sich rasch als Qualitätsmarke, nicht nur im Rheinland. Mitte der 80er-Jahre benannte sich das Ensemble in Klassische Philharmonie Bonn um.

In Hamburg begegnet man den Plakaten dieses Orchesters mehrmals pro Konzertsaison. Mit der Reihe "Wiener Klassik" pflegen die Bonner ein Repertoire, das seinen eindeutigen Schwerpunkt auf die Musik aus der Zeit Haydns, Mozarts und Beethovens legt. Den Zumutungen der Moderne setzt sie ihr Publikum nicht aus, womit nicht gesagt sein soll, dass Beissels Verhältnis zur nachklassischen oder der zeitgenössischen Musik getrübt sei. In seiner Zeit mit den Hamburger Symphonikern habe er Ehrgeiz daran gesetzt, jedes Jahr eine Mahler-Sinfonie aufzuführen, erinnert sich Richard Reeves, Hornist beim Orchester. "Bruckner, Mahler, Brahms galt seine große Liebe, und die war ansteckend. Er konnte dieses Repertoire dem damals ja noch ziemlich jungen und unerfahrenen Orchester unwahrscheinlich gut vermitteln."

Dem Nachwuchs gilt bis heute Beissels vorrangiges Interesse. Immer wieder präsentiert er in seinen Konzerten aufstrebende Solisten. Für die Hamburger Symphoniker, um deren bloßen Fortbestand man vor 40 Jahren noch viel dringender kämpfen musste als heute, hat Heribert Beissel sich auch politisch immer sehr eingesetzt. Schon deshalb gehen an diesem Tag auch von Hamburg aus die besten Glückwünsche nach Bonn.

Die Klassische Philharmonie Bonn spielt am 7. April wieder in der Laeiszhalle.