In ihrer Text-Trilogie “Revolver-Traum“ erzählt Lola Arias im Thalia in der Gaußstraße Geschichten von Liebe und Tod

Hamburg. Die Brüche zwischen Realität und Traumwelt verlaufen schmal. Scheinbar liegt da ein ganz gewöhnliches Paar von der Liebesnacht erschöpft im Bett. Doch etwas stört das Bild, die Betonwand, die Kälte des Kargen und bald auch der Revolver unterm Kopfkissen. Die Texte der argentinischen Theatermacherin Lola Arias entfalten traumartige Landschaften, nüchtern, frostig, melancholisch, aber auch von Spuren eines magischen Realismus durchzogen. Sichtbar in der Text-Trilogie "Revolver-Traum/Striptease/Die Liebe ist ein Heckenschütze", anders als ihre dokumentarischen Performances nicht von Arias selbst, sondern von der Regisseurin Maria Ursprung im Thalia in der Gaußstraße inszeniert.

Ein Glamourgirl mit Hasenkopf haucht düster Kylie Minogues "Can't get you out of my head" und zieht eine zweite Traumebene ein. Die Frau im Bett entpuppt sich als gerade mal 16-Jährige mit gewaltreicher Geschichte und erhält bei Marie Löcker die Aura einer Koboldin der Zwischenreiche. Thomas Niehaus mimt einen nüchternen Lehrer mit Zweitjob als Dealer, Angst im Nacken und unter der rauen Schale pochender Gier nach echtem Gefühl. Die Dialoge dieser einander Fremden kehren manche dunkle Ecke von Buenos Aires zum Vorschein: Hinrichtungen in der Badewanne, Kaninchen, die Selbstmord begehen. Einer Liebe, die ins Wahnhafte abgleitet und unterschwelliger Todessehnsucht.

Im zweiten Teil "Striptease" verunglückt eine Telefonunterhaltung per Mikrofon von Marie Löcker und Pascal Houdus als Ex-Paar mit gemeinsamem Nachwuchs. Auch ihre Themen offenbaren keine Gebrauchslyrik. "Seit wir uns getrennt haben, habe ich manchmal das Gefühl, ich werde wie eine Schlafwandlerin aufwachen, wenn das Baby schreit, und dann - werde ich es erschießen", sagt die Frau. Das Paar verharrt in einem emotionalen Schwebezustand zwischen Getrenntsein und gleichzeitiger Suche nach verlorener Nähe. Zu Recht setzt auch Ursprung in ihrer Inszenierung mit sparsamen Licht- und Akustikeffekten auf die kalte Oberfläche der Texte, aus der nur hier und da verhalten Sehnsucht glimmt.

Die Welten, aus denen Lola Arias' Texte sich speisen, mögen auf den ersten Blick wenig alltäglich sein, das aber hebt sie wohltuend über die pure Befindlichkeitspoesie so vieler Gegenwartstexte heraus. Ob sie in "Mi Vida Después" die argentinische Militärdiktatur durch die Brille der Nachgeborenen untersucht, in "That Enemy Within" ein Zwillingsschicksal durchleuchtet oder in "Melancolía y manifestaciones" den Freitod der eigenen Mutter mit der argentinischen Protestkultur kurzschließt, hinter einer spröden Merkwürdigkeit und Abkehr vom Gewöhnlichen geht es Arias stets um die großen Fragen des Lebens, weshalb sie zu Recht von großen Festivals hofiert wird. Die Liebe ist ohne den Tod nicht zu haben, das Leben nicht ohne Angst. Und Glück nicht ohne die ständige Bedrohung durch den Revolver.

Im abschließenden Teil "Die Liebe ist ein Heckenschütze" treibt Arias den Albtraum auf die Spitze. Drei Anwärter für einen Freitod gruppieren sich um eine Schusswaffe. Gründe genug, sich umzubringen, finden sich. Niehaus, Löcker und Houdus karikieren, riesige Pappmaché-Figuren auf dem Schoß, ihre Rollen zu wahrhaft schaurigen Nachtbesuchern. Der "Revolver-Traum" ist ein kleiner, intimer Ausflug in das Unlogische, die Intensität und das Romantische, wie sie Traumwelten für uns bereithalten. Nur dass sie sich hier verdammt real anfühlen.

"Revolver-Traum" 30.3., 31.3., 13.4, 20.00 (So 19.00), Thalia in der Gaußstraße, Gaußstraße 190, Karten T. 32 81 44 44; www.thalia-theater.de