Das Kreativduo Stefan Krohmer und Daniel Nocke erzählt in seinem neuen Film von zwei gescheiterten Ehen. Herausragende Schauspieler. Mittwoch in der ARD

Nicht ganz leicht zu sagen, wer das Kopf-an-Kopf-Rennen um die mieseste Ehe gewinnt. Da wären zunächst mal Peter und Christa Staude, Bauunternehmer und Bauunternehmergattin. Leben in einer Villa, die aussieht, als wäre ein gläsernes Ufo zwischengelandet. Sie ist immer eine Haaresbreite davon entfernt, ihm das Steakmesser in die Rippen zu rammen. Er hat ohnehin längst resigniert, der Hörkanal steht auf Durchzug, wahrscheinlich schmeckt er nicht mal, was er sich gerade in den Mund schaufelt. Ihnen gegenüber am gedeckten Tisch hocken Andreas und Heike Rogel, ein gut situiertes Mittelschichtspaar, Schuldirektor und Ärztin, das nur noch das Allernötigste miteinander spricht. Sie scheint auch Jahrzehnte nach der Hochzeit noch fassungslos, wie sie an einen solchen Schluffi geraten konnte.

Gute Voraussetzungen für einen netten Abend also. Serviert werden Rinderfilet an gedünsteten Spargelspitzen, teurer Rotwein, fertige Meinungen und Plattitüden. Und dann dies hier: Peter hinterziehe Spenden, erklärt Christa den Freunden, als rede sie gerade über die Tischdekoration. Das Geld für ein Förderzentrum für behinderte Kinder stecke er in Wahrheit in die eigene Villa. Sie reißt sich den teuren Klunker vom Hals - ein Bestechungsgeschenk, mit schmutzigem Geld gekauft, bäh - und verlässt erhobenen Hauptes die Tafel. Katja Riemann ist als Dramaqueen mit Furiengemüt und bebenden Locken so herrlich überdreht, dass allein ihr Auftritt in der ersten, rund zehnminütigen Szene das Einschalten lohnt. Wohl keine deutsche Schauspielerin kann verächtlicher "Oberschichtenschnalle" fluchen und damit das eigene trostlose Leben meinen. Aber auch über den riemannschen Parforceritt hinaus (noch sehenswerter als ihr derzeit viel diskutiertes Anti-Interview auf dem roten Sofa beim NDR-Magazin "Das!") ist dem bewährten Kreativduo Stefan Krohmer und Daniel Nocke erneut ein Film geglückt, der herausragt aus dem öffentlich-rechtlichen Beziehungseinerlei mit seinen sauber in Gut und Böse getrennten Protagonisten. Ein Film über Macht und Freundschaft, Liebe und Politik, Vertrauen und Verrat.

Wie nur wenige versteht sich der Hamburger Autor Nocke darauf, in seinen Drehbüchern moralische Grauzonen auszuloten. Auch "Verratene Freunde", die zehnte Zusammenarbeit mit Regisseur Krohmer, hat für den Zuschauer keinen Beipackzettel zur Hand, auf dem Sympathiepunkte wie Schulnoten verteilt sind. Gut, der raffgierige Ranschmeißer Peter, den Heino Ferch geschickt zwischen Charmebolzen und Schmierlappen anlegt, ist natürlich klar korrupt. Ein Schwein, wenn auch für den guten Zweck. Wie aber verhält man sich als guter Freund zu einem solchen Menschen? Das bereitet dem grundsoliden Ehrlichkeitsfanatiker Andreas (der immer sehenswerte Matthias Brandt) schlaflose Nächte. Zu diesem Zeitpunkt ahnt er noch nicht einmal, dass seine Frau ein Verhältnis mit Peter hat. Heißt: Schweißtreibender Sex unter der Dusche, bevor sie sich trennt, ihre Koffer packt und in die Ufo-Villa zieht.

Barbara Auer spielt Heike als eine Frau, die den Dingen mit klarem Blick und Selbstbewusstsein begegnet. Sie spielt keine Spielchen, und hat sich doch ausgerechnet in Peter verliebt, den stadtbekannten Oberzocker, der sich gern alle Hintertürchen und Fluchtmöglichkeiten offenlässt. Und Andreas, der anfangs noch winselt und eine zweite Chance herbeifleht, wittert schon bald die Möglichkeit einer neuen Liebe in Gestalt einer attraktiven Dunkelhaarigen (Edita Malovcic, die Staatsanwältin aus dem Hamburg-"Tatort") aus dem Umkreis des von Peter finanzierten Behindertenzentrums. Was wiegt schwerer - das eigene Glück oder die soziale Verantwortung? Auch so eine Frage, die der Film in die Luft schmeißt und sanft im Raum schweben lässt.

Selten wirkt das deutsche Fernsehen so französisch (im Sinne von: luftig-leicht), wenn es um die Inszenierung von Liebe und Zusammenleben geht, wie bei Regisseur Krohmer. Die Bilder haben eine Unverstelltheit und Lebensnähe, die wenige Sätze braucht (und Autor Nocke schreibt die richtigen), um den Zuschauer hineinzuziehen in ein Dominospiel der Emotionen. Ein falsches Wort, ein fremder Kuss, und das Alltagsgefüge kippt. In "Verratene Freunde" jedenfalls liegt alles erstaunlich schnell am Boden: die Ehe, die Loyalität, die Fairness. Was dazu beiträgt, dass der Film flott erzählt ist, überraschend und mit schwungvollen Charakterwendungen. Schon fast überflüssig zu sagen, dass er dem Zuschauer am Ende keine Lösung auf dem Silbertablett präsentiert, sondern eine ziemlich ratlose Handvoll Menschen - Liebende, Gelegenheitsliebhaber, Garnichtliebende -, die noch Spuren vom Abendessen im Gesicht haben, aber kaum Pläne über den nächsten Tag hinaus.

"Verratene Freunde" ist ein Ensemblestück, besetzt mit einigen der besten Schauspieler, die dem Fernsehen zur Verfügung stehen, ohne übergeordnete Moral und gut gemeinte Ratschläge auf dem Beifahrersitz. Kurz: ein Film, den man nicht beim abendlichen Zähneputzen zusammen mit dem Schaum den Abfluss hinunterspült. Sondern der sich im Kopf verhakt. Vor allem jene Anfangsszene, in der das harmlos angelegte Essen so grotesk und lautstark danebengeht. Seither weiß der Zuschauer: Man kann innerhalb von zehn Minuten so einiges zustande bringen: Tütensuppe kochen, eine Kurzgeschichte lesen, mit der Schwiegermutter telefonieren. Und eine Ehe in die Tonne treten.

"Verratene Freunde ", heute, 20.15 Uhr, ARD