Das Festival “Fokus Frankreich“ lädt zur künstlerischen Begegnung mit unseren Nachbarn ein

Kampnagel. Wahre Freunde schätzen aneinander das Gemeinsame - sind aber gleichzeitig in der Lage, das Trennende zu würdigen und als Bereicherung zu empfinden. Die deutsch-französische Freundschaft, besiegelt durch den Elysée-Vertrag vor 50 Jahren, ist ein Pakt, der sich bewährt hat. Dennoch erscheint vieles an dem jeweiligen Nachbarn auf den ersten Blick fremdartig und unverständlich. Das gilt erst recht für alles, was mit Avantgarde zu tun hat.

Warum zum Beispiel spielen zwei Performer Tennis mit Gitarren? Antoine Defoor und Julien Fournet begeben sich in "Cheval" (20./21.3., jew. 20 Uhr) in die Niederungen eines etwas anderen Musikunterrichtes. Sie beleben träges Material, spielen mit der Dualität des Trivialen und Erhabenen und hüpfen zu Chorgesang schon mal munter auf ein Klavier. Die äußerst humorvolle Performance ist Teil des Festivals "Fokus Frankreich: Das Andere in uns - L'Autre En Soi", das sich von Mittwoch bis Sonnabend auf Kampnagel auf die Suche nach Verbindendem und Trennendem begibt. Alte Bekannte und Hamburg-Debütanten präsentieren Ur- und Erstaufführungen.

Der frühere Theaterregisseur und nun Konzeptchoreograf Laurent Chétouane schlägt mit "M!M" (20.3., 19 Uhr) ein neues Kapitel seines Nachdenkens über Bewegung auf und schickt ein Tänzerduo auf die Suche nach den politischen Implikationen von Freundschaft. Die Form wirft die Frage auf, wie politisch Tanz sein kann. Damit Unverständliches schlussendlich nicht im Raum stehen bleibt, gibt es im Anschluss ein Gespräch zwischen dem französischen Autor Mathieu Riboulet und dem Choreografen.

Das Duo Gintersdorfer/Klaßen arbeitet seit jeher mit Tänzern und Performern von der Elfenbeinküste, deren französische Texte von Hauke Heumann in beachtlichem Tempo simultan ins Deutsche übertragen werden. In "Die Bühne ist mein Wald" (22. bis 24.3., jew. 20 Uhr) befassen sich die Performer, flankiert von dem Hamburger Schauspieler und Richter Dietrich Kuhlbrodt mit individueller und kollektiver Psyche, von der Auseinandersetzung mit der Psychoanalyse bis zum Zwiegespräch mit Geistern. Dazu gibt es ein Wiedersehen mit den ivorischen Tänzern Gotta Depri, Franck Edmond Yao alias Gadoukou la Star und Eric Parfait Francis Taregue alias Skelly.

Ein ungewohntes Format legt der Theatermacher Mickael Phelippeau in "Chorus" (23./24.3., 20 Uhr) auf. Mit Vorliebe erforscht der Choreograf das Unhierarchische. Hier inszeniert er das A-Capella-Ensemble Voix Humaines als einen Körper, der, Johann Sebastian Bachs "Nicht so traurig, nicht so sehr" auf den Lippen, sowohl Stimme als auch Bewegung in sich vereint.

Zu später Stunde gibt es am Sonnabend noch einen potenziellen Aufreger. Jean-Louis Costes wurde bereits fünfmal vor Gericht geladen, immer wegen "Rassenhass und Aufforderung zum Mord" anhand von auf seiner Internetseite publizierten Liedern. 2001 wurde er verurteilt. Costes ist bekannt für "pornosoziale Opern", die er im Alleingang erstellt und die hinter dem scheinbar Vordergründigen die Perversionen unserer Zeit entlarven sollen. Die Gewalt des Fleisches und der Gedanken ist auch diesmal sein Thema.

In der Minioper "La Sorcière et les morts" (23.3., 22 Uhr) konfrontiert er sich mit Vorfahren, die ihn anhalten, die Schrecknisse seiner Jugend noch einmal zu durchleben. Er wolle weder eine Revolution anzetteln noch provozieren, sagt Costes. Vielmehr suche er nach einer Intensität des Ausdrucks wie Jesus am Kreuz. Auch dieser deutsch-französische Austausch verspricht intensiv zu werden.

"Fokus Frankreich: Das Andere in uns - L'Autre En Soi" 20. bis 24.3., Kampnagel (Bus 172, 173), Jarrestraße 20-24, Karten ab 12,-, Festivalpass 30,-/erm. 15,- T. 27 09 49 49; www.kampnagel.de