Dem Kölner Privatsender RTL brechen die Marktanteile weg. Doch dringend benötigte neue Erfolgsformate sind trotz einer Programmoffensive nicht in Sicht

Hamburg. Für RTL war es ein trostloser Sonnabend. Die Castingshow "Deutschland sucht den Superstar (DSDS)" wollten nur 3,69 Millionen Zuschauer sehen. Das waren zwar 40.000 mehr als in der Vorwoche, als der Sängerwettstreit die schwächste Quote seiner Geschichte einfuhr. Aber von der ersten live übertragenen Mottoshow der aktuellen Staffel hatte man im Sender mehr erwartet. Besonders bitter: Bei der werberelevanten Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen erreichte RTL einen Marktanteil von nur 20,3 Prozent. Vor einem Jahr, bei der bis dahin quotenschwächsten "DSDS"-Staffel aller Zeiten, lag dieser Wert noch bei knapp 28 Prozent. Schwächer als in diesem Jahr sind die Mottoshows noch nie gestartet.

Nicht viel besser lief es beim Geschlechterwettkampf "Jungen gegen Mädchen". Er kam nur noch auf 2,31 Millionen Zuschauer - 300.000 weniger als in der Vorwoche. Die Show zählt zu den neuen Programmen, mit denen RTL verloren gegangenes Terrain zurückgewinnen will. Aber auf der Programmoffensive scheint ein Fluch zu liegen: Am Mittwoch meldete der Sender, dass die neuen Folgen der einstigen US-Kultserie "Dallas" wegen schwacher Quoten künftig bei Super RTL laufen werden. Eine Folge der Pseudo-Doku "7 Tage Sex", in der müden Paaren mit einer Kopulationskur geholfen werden soll, wurde kurzfristig abgesetzt, weil es sich bei einem der Pärchen um Halbgeschwister handelte. Komplett streichen muss RTL das neue Format "Babyboom - Willkommen im Leben". Der Plan, Geburten mit fest installierten Kameras im Kreißsaal eines Berliner Krankenhauses aufzunehmen, scheiterte am Veto des Berliner Senats.

Dabei ist RTL dringend auf neue quotenträchtige Sendungen angewiesen. Seit geraumer Zeit verliert der Sender Marktanteile. Besonders mies sah es im Februar aus: Er kam nur noch auf einen Marktanteil von 11,3 Prozent. Es war der schwächste Wert seit mehr als 20 Jahren. Bei den 14- bis 49-jährigen Zuschauern erreichte RTL zwar einen Marktanteil von 15,3 Prozent. Doch auch in der werberelevanten Zielgruppe schnitt der Sender so schlecht ab wie seit über 20 Jahren nicht mehr.

Die Programme, die RTL prägen, sind in die Jahre gekommen. Erfolgreiche Innovationen gibt es kaum. Die Boulevardmagazine "Explosiv" (1987), "Exclusiv"(1994) und "Extra" (1994) entstanden ebenso in der Ära von RTL-Gründer Helmut Thoma wie die Seifenopern "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" (1992) und "Unter uns" (1994) oder die Krimiserie "Alarm für Cobra 11" (1996). Thomas Nachfolger Gerhard Zeiler bescherte 1999 dem Kölner Sender Günther Jauchs Erfolgsquiz "Wer wird Millionär?". Die nun abebbende, aber einst sehr erfolgreiche Welle der Castingshows bei RTL wurde ebenfalls von Zeiler losgetreten, der 2002 "DSDS" ins Programm nahm. Die oft kopierte "Ultimative Chartshow" (2003) entstand in seiner Amtszeit ebenso wie die Dschungelshow "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus" (2004).

Unter Zeilers Nachfolgerin Anke Schäferkordt tat sich dagegen wenig. In ihre Amtszeit fällt die Einführung der mit Laiendarstellern billig produzierten Scripted-Reality-Formate, die häufig im Hartz-IV-Milieu spielen und vorgeben, Dokumentationen zu sein. Eine Zeit lang waren sie recht erfolgreich. Nun scheint das Genre ausgereizt zu sein: Das Scripted-Reality-Format "Mitten im Leben" wird 2013 wegen schwacher Quoten eingestellt. Dafür, dass Günther Jauch in ihrer Amtszeit mit der ARD anbandelte, ist Schäferkordt nicht verantwortlich. Allerdings fehlt dem Sender nun jemand, der die Rolle übernimmt, die Stefan Raab bei ProSieben oder Markus Lanz beim ZDF spielt. Erfolgreiche junge Talente wie etwa Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf gibt es bei RTL nicht.

So fügt sich der Sender, der seit dem 1. Februar von Frank Hoffmann geleitet wird, nun ins Unvermeidliche: Seit 1. März weist er nicht mehr die Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen, sondern die der 14- bis 59-Jährigen als werberelevant aus. Denn mittlerweile ist der RTL-Durchschnittszuschauer 47 Jahre alt und den einst von RTL-Gründer Thoma recht freihändig definierten Werberelevanten fast entwachsen.

Auch programmlich stellt sich der Sender auf ein eher gesetztes Publikum ein. Derzeit wird über eine gemeinsame Show von Thomas Gottschalk, 62, und Günther Jauch, 56, nachgedacht, die so etwas wie Joko und Klaas für Ältere machen sollen. Ganz offenbar will man bei RTL zurück in die Zukunft. Gottschalk und Jauch traten schon in den 80er-Jahren gemeinsam im Hörfunk des Bayerischen Rundfunks auf.

Auch sonst orientiert sich die Programmreform an der Vergangenheit. Wenn sich die Pärchen in "7 Tage Sex" in Stimmung bringen oder sich der Journalist Jenke von Wilmsdorff in dem ebenfalls neuen Format "Das Jenke Experiment" ganz fürchterlich betrinkt, kommen Erinnerungen an früher auf: In der Anfangszeit des Senders übersetzte der "Spiegel" das Kürzel RTL mit "Rammeln, Töten, Lallen".