Der israelische Schriftsteller und Friedensaktivist Amos Oz liest aus seinem neuen Erzählband “Unter Freunden“

Magazin. "Unter den revolutionären Konzepten war die Kibbuz-Revolution die einzige, die ohne Erschießungskommandos, Gulags oder Konzentrationslager auskam", hat der israelische Schriftsteller Amos Oz kürzlich in einem Interview erklärt. "Im Kibbuz gab es nicht mal Polizisten. Der Kibbuz war am Ende nicht erfolgreich, aber er hat auch nicht versagt. Denken Sie an den Schuhmacher in der letzten Erzählung. Er ist Idealist, Internationalist und Pazifist, ein Weltreformer bis zum letzten Atemzug. Er hat keine Frau, keine Familie, niemanden. In einer großen Stadt würde er sterben wie ein Hund, im Kibbuz führt er ein beschütztes Leben. Aber die menschliche Natur verändert sich eben nicht. Auch in der Liebe hat sich seit den Tagen von König Salomon bis heute nichts geändert - höchstens die Zigarette danach, sonst nichts."

Als 15-Jähriger trat Amos Klausner nach dem Freitod seiner Mutter dem Kibbuz Chulda bei und nahm seinen jetzigen Namen Oz an (zu Deutsch "Kraft, Stärke"). Oz, der vielfach ausgezeichnete israelische Schriftsteller und Friedensaktivist, ist nun zu seinen Wurzeln zurückgekehrt und hat einen Erzählband veröffentlicht, "Unter Freunden", in dem er in acht Episoden Schicksale im fiktiven Kibbuz Ikat beleuchtet. An diesem Montag stellt der 73-Jährige das Buch im Magazin-Kino vor, Michael Paweletz liest den deutschen Text, Sigrid Löffler moderiert.

Mehr als 20 Jahre lebte Oz im Kibbuz, diese Jahre waren prägend für ihn. Vor 25 Jahren hat er mit seiner Familie den Kibbuz verlassen. "Die Gründer hofften, nicht nur das soziale System, die Klassengesellschaft zu verändern. Sie wollten die menschliche Natur revolutionieren. Sie glaubten, wenn sie eine Gemeinschaft schaffen, wo jeder das Gleiche isst, sich gleich kleidet, gleichermaßen Arbeit verrichtet und den gleichen Lebensstandard teilt, dass dann Selbstsucht und Egoismus verschwinden und ein neuer Mensch entsteht. Das hat sich als falscher Gedanke erwiesen", sagt Oz.

In seinen Erzählungen kann der Kibbuz ebenso ein schützender Mantel sein wie eine Zwangsjacke. Mit wenigen, treffenden Sätzen malt Oz Details und Szenen großer Bilder. Da ist Zvi, der pessimistische Gärtner, der alle ungefragt mit Katastrophenmeldungen versorgt. Oder David Dagan, der Lehrer, der durch seine Beziehungen zu deutlich jüngeren Frauen von sich reden macht. Nina, eine eigensinnige junge Frau, die es keine Nacht mehr mit ihrem Mann aushält; und Martin, ein Schuster, der den Holocaust überlebt hat. Roni Schindlin verteilt spitzzüngige Kommentare. Er gilt als Klatschmaul und Spötter, als gewissenhaft und fleißiger Arbeiter. Seine Frau Lea zeigt sich von der eher kühlen Seite, auch dem Sohn Juval gegenüber, der ist fünf. Die Erzieherinnen mögen ihn nicht, die anderen Kinder verspotten ihn, "weil er sich nicht gegen seine Angreifer wehrte, weil er nicht gesellig war und so viel weinte". Roni würde gern viel mehr Zeit mit Juval verbringen, schweren Herzens bringt er ihn abends zurück ins Kinderhaus, wo der Kleine leidet, allein mit seiner Angst. Dann, endlich, versucht Roni, seinen Sohn zu schützen.

Oz tastet sich behutsam an seine Figuren heran, beobachtet sie, ihre Ängste, Hoffnungen und Sehnsüchte mit nüchternem Blick und mit großer Empathie. Schmerz und Liebe liegen nah beieinander. Es wird viel diskutiert in Erziehungs-, Gesundheits- und Kulturausschüssen, und manchmal kommt das Leben dabei leider zu kurz. Oz beschreibt das Leben in berührenden, erhellenden und manchmal auch komischen Momenten. Schön.

Amos Oz liest aus "Unter Freunden" Mo 18.3., 19.30, Magazin-Kino (Bus 20/118), Fiefstücken 8 a, Karten zu 8,- bis 14,- unter T. 0180/501 57 29