Nach bewährtem Strickmuster, aber manchmal auf Kosten der Figurentiefe, spielen Herbert Herrmann und Nora von Collande in der Komödie Winterhuder Fährhaus

Hamburg. Auftrittsapplaus für Herbert Herrmann. Auch Nora von Collande, seine Partnerin auf der Bühne wie im Leben, erhält Vorschusslorbeeren bei der Premiere "Das zweite Kapitel" in der Komödie Winterhuder Fährhaus. Doch der Schlussbeifall fällt dann etwas weniger begeistert und weniger lang aus, als es der Publikumsliebling wohl erwartet hatte.

Steht Herbert Herrmanns Name auf dem Spielplan, dann wollen die Komödien-Zuschauer eigentlich nur Herbert Herrmann sehen, wie er seit Jahrzehnten auf der Bühne leibt und lebt: Den mit 72 Jahren noch immer alterslos wirkenden Frauenhelden mit dem unwiderstehlichen Jungencharme, der gern den trainierten, dauergebräunten Oberkörper zeigt. Keine Sorge, meine Damen, das macht Herrmann auch diesmal. Nur hat er sich dafür das falsche Stück ausgesucht.

Neil Simon bietet in der 1977 uraufgeführten autobiografischen Komödie "Chapter Two" zwar in der Nebenhandlung die im Boulevard übliche Seitensprung-Klamotte, schlägt jedoch auch ernsthaftere Töne an. Der um seine Frau trauernde Schriftsteller George ist sein Alter Ego. Er lernt durch die kupplerischen Freunde Leo (Stefan Schneider) und Faye (Yuri Beckers) die frisch geschiedene Schauspielerin Jennie kennen, die ihre Freiheit genießen will: "Ich werde mich jetzt an meinen Mädchennamen erinnern: Jennie Malone - wieder alone." Doch nach dem bewährten Boulevard-Strickmuster kommt es anders, als die beiden Paarungsunwilligen denken ...

Es ist zwar nicht Simons stärkstes Stück, doch der Comedy-König vom Broadway versteht sein Handwerk und schreibt pointierte Dialoge. In der Dauertelefonszene parodiert er nebenbei die fernmündlichen Dispute, die Doris Day und Rock Hudson in "Pillow Talk" ("Bettgeflüster") durch eine irrtümliche Verbindung ausfechten und dabei den gemeinsamen Draht entdecken. Jennie greift jedoch nicht zum Hörer, sondern zum Smartphone, trägt ein Bluetooth im Ohr. Sie und George treffen sich zu einer "5-Minuten-Musterung", um ihre Verabredung so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Pech nur, dass sie sich auf den ersten Blick ineinander verknallen. Aber sie wehren sich gegen ihre Gefühle. Er: "Der Vorgang wird nie einfacher." Sie: "Welcher Vorgang?" Er: "Die Paarung." Dennoch finden sie zusammen. Ihre Blitzhochzeit verblüfft sogar Leo und Faye, die es in Jennies Gästezimmer munter miteinander treiben - nicht ohne etwas zu ausführlich über die Ehe und Seitensprünge zu philosophieren. Auch sie bringen nicht wirklich Schwung und Witz in die Geschichte und Aufführung, die in der Komödie das Vorstellungsangebot für die "Generation Silver Sex" weiterführt.

Mag auch an der problematischen Paarung von Hauptdarsteller und Regisseur liegen. Herbert Herrmann aktualisierte zwar den Text und frischte ihn mit Gags auf, behält aber immer seine gewohnten, auf Lacher abzielenden Späße im Auge. Er weiß, was sein Publikum wünscht, und will es nicht verprellen. Die Konflikte der Figuren bleiben also schön an der Oberfläche und werden lieber der nächsten Pointe, dem nächsten Scherz zuliebe geopfert. Außerdem lässt der Regisseur dem Schauspieler seine Faxen durchgehen.

Auch ansonsten bleibt die Inszenierung fest in Familienhand. Nora von Collande, Herrmanns Dauerverlobte, entwarf die Kostüme. Sie plünderte ein paar Boutiquen, bringt gediegenen Ku'-Damm-Chic statt Manhattan-Style auf die Bühne, den Anja Wegners Loft mit Panoramablick aufs Empire State Building suggeriert. Bücherwurm George haust zwischen Umzugskartons.

Warum aber hat man öfter das Gefühl, dass die Spieler nicht miteinander reden? Entweder parlieren sie nur Text oder ziehen ihre Nummern (inklusive Mickymaus-Stimme) ab, ohne Gefühle oder Situationen ernsthaft zu vertiefen, wodurch erst die eigentliche Komik entstünde. Nora von Collande zeigt immerhin Jennies innere Wandlung. Sie steht zu ihrer Liebe und bekommt für ihre Schlussrede Szenenapplaus. Herrmann legt dagegen George eindimensional auf einen charmant kauzigen Muffel fest. Ob er so auf dem "richtigen Weg" ist (so heißt Georges neues Buch), das Publikum wie gewohnt zu erobern, wird sich zeigen.

"Das zweite Kapitel" bis 12.5. in der Komödie Winterhuder Fährhaus, Kartentel. 48 06 80 80