Von der Öffentlichkeit nahezu unbemerkt: Die Galeristin zeigt jetzt das Beste aus 30 Jahren Photoselection, ihrer Agentur für Fotografen.

Hamburg. Als sie anfing mit ihrer Agentur, da sprachen alle ihren Vornamen so aus, als käme sie aus England: Hiläine. Das passte zur Branche, denn Hilaneh von Kories hatte bis Ende 1982 bei "Sounds" gearbeitet, dem wesentlichen Musikmagazin Deutschlands, und das berichtete vorzugsweise über Bands aus Großbritannien und den USA. Zuerst war die junge Frau mit dem rabenschwarzen Haar dort Redaktionsassistentin, doch weil sie ein gutes Auge hatte, stieg Hilaneh von Kories bald zur Fotoredakteurin auf. Wenn man von Aufsteigen sprechen kann in den 70er-, 80er-Jahren, der goldenen Zeit der Gegenöffentlichkeit, der Stadtmagazine und des publizistischen Underground.

Heute, 30 Jahre nach der Gründung ihrer Agentur Photoselection, die in den ersten Jahren die coolsten Musikerfotos in deutsche Printmedien brachte und Fotografen wie Sheila Rock, Derek Ridgers und Anton Corbijn auch bei uns den Weg zum Ruhm ebnete, sagt kaum noch jemand Hiläine zur Chefin. Hilaneh von Kories ist zur weniger mondänen Aussprache ihres Vornamens zurückgekehrt. Nun klingt er fast deutsch, man spricht ihn so, wie man ihn schreibt, mit der Betonung auf der zweiten Silbe. Den Namen, die arabische Version von Helena, gab ihr der Vater, ein Syrer aus Damaskus. Sie hat ihn dreimal in ihrem Leben gesehen und weiß: Sie ist ihm in vielem sehr ähnlich.

Dieser Tage sieht sich Hilaneh von Kories einer für sie ungewohnten Aufmerksamkeit ausgesetzt. Auf sanftes Drängen ihres Mannes hat sie sich entschlossen, das Jubiläum von Photoselection mit einer Ausstellung zu feiern, deren Kuratierung die Fotoagentin Hilaneh von Kories vertrauensvoll in die Hände der Galeristin Hilaneh von Kories gelegt hat. Öffentlichkeit für andere schaffen, für Fotografen, von denen sie viel hält, auch wenn die noch keiner kennt, das fällt ihr leicht. Auskunft geben über sich selbst, das ist ihr richtig unangenehm.

Denn so viel Anerkennung sie sich mit ihrer 2005 eröffneten Galerie für internationale Fotokunst erworben hat: Die große Mutter Photoselection arbeitet von der Öffentlichkeit nahezu unbemerkt, und das ist ein Ort, am dem sich Hilaneh von Kories bedeutend wohler fühlt. Nur wer das Kleingedruckte in den Fotohinweisen in Zeitungen und Zeitschriften liest, dem begegnet der Name häufiger. Dabei sind es schon lange nicht mehr in erster Linie Popstars, mit deren Abbildern Photoselection handelt: "Musik allein fand ich bald zu wenig und zu dünn, und auch die Fotografen wandten sich verstärkt anderen Bereichen zu", erzählt von Kories.

Heute beliefert sie die Redaktionen überwiegend mit Schauspielerfotos aus Film, Fernsehen und vom Theater. Und sie vermittelt ihre Fotografen etwa an Filmverleiher, die Plakate für neue Kinofilme brauchen, ob für "Keinohrhasen" oder "3096". Diesen "Special Photography" genannten Geschäftszweig hat die Agentin planmäßig ausgebaut. Denn kein freier Fotograf kann heute noch von den Printmedien allein leben: "Du gehst ins Verarmungsrisiko", sagt Hilaneh von Kories. "Jeder Klempner verdient mehr."

Die massiven Veränderungen im Geschäft mit der Fotografie durch die Digitalisierung hat die Agentin alle hautnah mitvollzogen - und gut überstanden. Früher rief etwa der Musikredakteur des Stadtmagazins "Szene Hamburg" an, bestellte ein paar Fotos, bekam sie ein paar Stunden später per Kurier auf den Tisch und musste sie baldmöglichst nach der Verarbeitung wieder zurückschicken. "Jeder Abzug war damals bares Geld", sagt Hilaneh von Kories. Heute bedienen sich die Fotoredaktionen in ihrer Datenbank, auf der sie freilich nicht alles zur Verfügung hält: "Wer ein Bild von Corbijn haben will, bekommt es nur auf Anfrage. Er ist da inzwischen sehr kontrolliert."

82 Bilder von 45 Photoselection-Fotografen haben es nun an die Wände ihrer Galerie in Bahrenfeld geschafft. Farbe, Schwarz-Weiß, Musiker, Schauspieler, Politiker, Leute der Zeitgeschichte - und manchmal auch ganz Unbekannte. "Ich hätte gerne noch weniger Promis gezeigt, aber das ist nun mal der Bereich, in dem sich die meisten Fotografen bewegen", sagt Hilaneh von Kories. Jeanne Degraa hat ihr die Schwarz-Weiß-Aufnahme einer heute 90-jährigen ehemaligen Ausdruckstänzerin geschickt, Mathias Bothor das Foto eines Richters aus Äthiopien, den er für eine Reportage ablichtete. Blickfang sind starke Bilder von Sheila Rock, Christian Schoppe, Thomas Leidig oder Derek Ridgers, dessen Porträt von Keith Richards 1986 ebenso zu den Ikonen einer in die Jahre gekommenen Rockgeschichte zählt wie das des halb nackt auf ein Sofa hingegossenen Punk-Helden Iggy Pop von Jens Boldt (2001). Audrey Tautou wirft einen süß-konservativen Blick aus ihren braunen Kulleraugen von der Wand, Peter Hönnemann kam Carla Brunis makellos schönem Gesicht mit der Kamera so nahe, dass es fast wie ein Leuchtkörper in den Raum hineinstrahlt. Recht unauffällig hängt rechts darunter ein Foto von Jim Rakete, das zu den visuellen Chiffren der deutschen Musikgeschichte zählt: ein Schwarz-Weiß-Abzug des Porträts von Nina Hagen, das, punkig koloriert, zum Cover ihrer Debüt-LP wurde (1978).

Hilaneh von Kories nutzt die Finissage am 24. April zu einer Versteigerung, bei der knapp die Hälfte der Bilder aus der Ausstellung unter den Hammer kommt. Der Erlös soll der Organisation Ärzte ohne Grenzen gespendet werden, und zwar ausdrücklich für Ärzte, die in Syrien arbeiten. Dem Land ihres Vaters, jenes Mannes, von dem Hilaneh von Kories ihr Temperament geerbt hat, ihre Toughness und ihr großes Herz.

Photoselection HighLights, bis 24.4., Galerie Hilaneh von Kories (Metrobus 2, 3) Stresemannstraße 384 a (Hinterhof), geöffnet Di-Fr 14.00 bis 19.00 u. n. V., Telefon 423 20 10