Tragikomödie “Indien“ im Ohnsorg-Studio erstmals op Platt

Hamburg. Bühnenbildner Andreas Freichels hat aus dem ganzen Ohnsorg-Studio kurzerhand eine Provinzkneipe gemacht. Da sitzen die Zuschauer mitten im Geschehen an Tischen mit karierten Decken oder auf einer Bank, ihr Getränk vor sich oder in der Hand. Und das Geschehen ist hochprozentig. Denn gespielt wird zur Eröffnung des Erwachsenen-Programms in der Nebenspielstätte die berühmt-berüchtigte Tragikomödie "Indien" vom österreichischen Satire-Duo Josef Hader und Alfred Dorfer. Zum ersten Mal sind die beiden Restaurant-Inspektoren unter den Namen Klaus Mansholt (Horst Ahrenhold) und Stefan Leonhard (Markus Gillich) op Platt unterwegs, in einer rundum gelungenen Dialekt-Übersetzung von Cornelia Ehlers.

Regisseur Jasper Brandis hat mit seinen großartigen Charakterdarstellern einen unvergesslichen Kneipenabend gezaubert. Nach dem Erfolgsrezept des Films mit Hader und Dorfer mischt Brandis die Zutaten virtuos und würzt sie nicht nur mit Lokalkolorit, sondern auch mit feinen, kleinen Einfällen, die den Streit zwischen den beiden zum Team zwangsvereinten Kneipentestern stets mindestens auf kleiner Flamme am Köcheln halten. Angerichtet und serviert wird das Ganze mit Liebe zum Detail. So trägt der Kneipenwirt (Dieter Schmitt) beim ersten Auftritt ein grünes T-Shirt mit der heiligen Aufschrift "Ich bin Zeuge Jevers", am Zapfhahn hängt ein handgeschriebenes Pappschild "defegt", und auf den Tischen stehen Gläser mit Salzstangen.

Der Bollerkopp und passionierte Schnitzeltester Mansholt ("Ik bün ja nich so'n Bilagen-Eter") geht seinem dauernd sabbelnd klugscheißenden Kompagnon Leonhard genauso auf die Nerven wie dieser ihm. Tapfer reisen sie von Dorfkneipe zu Dorfkneipe, essen überall das gleiche frittierte, panierte Schnitzel mit Kartoffelsalat, lassen ihren Frust an den Wirten aus oder geben sich mit Kööm die Kante. Dabei unterschreiten sie wie ihre Gastgeber gelegentlich die Grenze des guten Geschmacks erheblich. Dennoch verbindet die beiden letztlich eine Hassliebe, die in pure Zuneigung umschlägt, als Leonhard erfährt, dass er an Krebs erkrankt ist und nur noch zwei Wochen zu leben hat.

Bollerkopp Mansholt wird zum Dauergast am leonhardschen Krankenbett - und dieser versucht, seines Schicksals emotional mit dem Glauben an die indische Lehre der Wiedergeburt einigermaßen Herr zu werden. Er greift dabei auf eine Vision von Indien zurück, auf ein Traumindien, das ihm schon im Alltag als Rückzugsraum und Fluchtpunkt diente, konstruiert aus dem, was man halt so weiß über Indien oder glaubt zu wissen. Im Ohnsorg erklingt dann in der Kneipe Musik, die so gut indisch wie griechisch sein könnte, und Gillich zeigt einen sehr verletzlichen Mann, wenn er anfängt, ein ganz klein wenig aus sich herauszugehen, sich verhalten rhythmisch zu den fremden Tönen zu bewegen. Arenthold berührt als herzensguter Mansholt, dem die Tränen kommen und vor Verzweiflung die Stimme bricht, wenn er sich klarmacht, dass sein Kollege sterben muss. Das ist großes Schauspieler-Theater auf der Ohnsorg-Speisekarte, mit Lebensessenz, ungeheuer wohlschmeckend.