Eine Glosse von Armgard Seegers

Ob ordentlich sortiert, als wilder Haufen, in Gestalt eines Wurmes, Iglus oder Weihnachtsbaumes - es gibt viele Arten, Bücher aufzubewahren. Manche Regale bilden einen aufgeschnittenen Holzkopf, ausgesägte Buchstaben, manche ummänteln Türen, Betten. Bücher werden in ausrangierten Kühlschränken oder Badewannen gehortet. Ach, was sind Menschen fantasievoll. Die Internetseite bookshelfporn.com zeigt Hunderte von Möglichkeiten, wie und wo Leser ihr Futter stapeln. Porn ist da im Titel, weil es rauschhaft und leidenschaftlich zugeht. Das sieht dann schon mal aus wie bei einem Hamster, der seinen Wintervorrat einlagert. Andere brauchen meterhohe Leitern, gar Seilwinden, um ihre Bücher zu erreichen. Mag sein, dass der eine oder andere Betrachter beim Anschauen all dieser abstrus-kreativen Möglichkeiten, Bücher zu sammeln und zu präsentieren, träumt: Ach, wie schön könnte ich darin wohnen!

Auf Menschen, die viele Bücher haben, deren Wohnung durchgehend mit Büchern tapeziert ist - in Regalen aus Holz, Metall, in Schränken, Sekretären, auf Schreibtischen, hinter Glas, auf und unterm Tisch, am Fenster, über der Küchenbank, also überall -, und die kein Bild aufhängen können, weil keine Wand mehr frei ist, wirken diese Fotos anders. Sie träumen dabei von einem leeren, weißen Zimmer mit Sofa und Musikanlage. Man kann dort auch lesen. Und wenn man ausgelesen hat, verschenkt man das Buch. Welch Befreiung. Und irgendwie porno.