Philharmoniker überzeugten mit Musik von Henri Dutilleux und Ludwig van Beethoven

Hamburg. Die unzeitgemäßen Schneemassen bestimmten wohl Sonntagvormittag das Ausgehverhalten, genauer: die Lust am Zuhausebleiben bei vielen Abonnenten der Philharmoniker-Konzertreihe im Parkett der Laeiszhalle. So viel Übersicht jedenfalls ist dort sonst selten. Und das war schade, denn mit Bertrand de Billy am Pult hatten die Philharmoniker ein schönes Programm gut einstudiert.

Der Morgen begann mit der Sinfonie Nr. 2 "Le double" von Henri Dutilleux, die ihren Namen einem aus zwölf Solisten bestehenden Orchester im Orchester verdankt. Die bei uns betrüblich selten aufgeführte Musik des 1916 geborenen Komponisten aus Frankreich trägt den Charakter einer ungewöhnlichen geistigen und künstlerischen Autonomie. Unbekümmert um Moden und Diktate der vermeintlich tonangebenden Vertreter der Avantgarde schuf Dutilleux 1959 mit "Le double" ein Orchesterwerk, das in seiner schwebenden Gewichtigkeit an Mobiles von Calder denken ließ. Die Formen und Klanggestalten erscheinen organisch, dabei jede für sich präzis gebaut und raffiniert zueinander in Beziehung gesetzt.

Das Épater le bourgeois , die trotzige, womöglich restpubertäre Provokation der Hörgewohnheiten des Bürgertums, hatte Dutilleux gewiss nicht im Sinn, dennoch verleugnet die Sinfonie keinen Takt lang ihre Zeitgenossenschaft. Stark synkopierte, wie Jazz-Riffs anmutende Akkordeinwürfe vom Cembalo (!), beharrlich sanft einen zentralen Zielton anpeilende Melodien von Klarinette, Oboe und Trompete, dazu ein Streicherklang wie aus Gaze, die an unerwarteten Stellen effektvoll zerriss - das war subtil und aufregend, und die Philharmoniker spielten unter de Billys umsichtigem, ökonomischem Dirigat schön transparent und leuchtstark.

Der zweite Teil des Konzerts gehörte zwei Gesichtern Beethovens: dem noch mozartisch geprägten des 26-Jährigen und dem kühnen des 43-Jährigen, der längst nur noch dem eigenen Gesetz folgt. Die mit einem wunderbar timbrierten Sopran gesegnete Maria Bengtsson sang die Konzertarie "Ah! perfido!", wobei ihre an den Alt heranreichenden Töne wie Sherry schimmerten. Und noch in den lauten Spitzentönen war Süße. An einer Stelle nahm Frau Bengtsson statt eines punktierten Notenwerts nur einen einfachen, was zu entsprechender Abstimmungsirritation führte. Dirigent und Solistin sahen einander gleichermaßen überrascht an, als stünde es jeweils so in ihren Noten.

Den Kopfsatz der Sinfonie Nr. 7 A-Dur (1813) verwandelten de Billy und die Philharmoniker in eine prächtige Schlittenfahrt, wobei man in den Tutti bei raschen Tempi die Schneebrille aufsetzen wollte, so scharf blies der Wind. Das berühmte Allegretto führten die tiefen Streicher dagegen mit warmer Noblesse ein. Beim Presto und erst recht im rasanten Finale teilten Orchester und Gastdirigent die Freuden präzisen Zusammenspiels mit einem hingerissen lauschenden Publikum, das seiner Begeisterung hinterher mit wildem Getrampel Luft machte.

Das Konzert wird heute, 20 Uhr, wiederholt