US-Sänger Cody Chessnut kokettiert beim Auftritt im Knust aber auch mit Swing, Gospel und Reggae

Hamburg. Zum satten Funk seiner vierköpfigen Band betritt Cody Chesnutt die Bühne des Knust. Das T-Shirt, das er unter seiner knallroten Strickjacke trägt, ist ein Indiz für die klangliche Ausrichtung des Abends: retro. Der Aufdruck zeigt farbige Kassetten, jene Tonträger also, mit denen sich seit den 60er-Jahren Musik vervielfältigen ließ, die im Westen aber mittlerweile aus der Mode sind.

Doch Chesnutt, Jahrgang 1968, reitet nicht bloß stumpf auf der Welle, die seit einigen Jahren mit dem alten Sound der Motown- und Stax-Ära Geld anspülen soll. Seinen facettenreichen Liedern ist anzuhören, dass er sich eingängig mit der Geschichte afroamerikanischer Musik beschäftigt hat.

Seinen Auftritt beginnt Chesnutt mit "That's Still Mama", einer orchestral arrangierten Ode an seine Mutter. Auch die meisten der darauffolgenden Songs stammen von seinem aktuellen Album "Landing On A Hundred", etwa "Till I Met Thee", mit dem er der verheißungsvollen Seite des Souls huldigt. Vor allem bei "Everybody's Brother" zeigen sich die Stärken des US-Künstlers. Wie er da von seiner Cracksucht erzählt, erinnert an die sozialkritischen Stücke eines Marvin Gaye.

Cody Chesnutts samtige Stimme trägt die dunklen Kapitel ebenso in sich wie die Heilung. Und dass er ausgerechnet bei dieser Nummer einen Hustenfall bekommt, fängt der Sänger mit Humor auf. "Keine Angst, ich rauche kein Crack mehr", sagt er, lacht und animiert die Zuhörer sogleich erfolgreich, sein Anti-Drogen-Credo mitzusingen: "No turning back".

Die Band improvisiert immer wieder, lässt Lieder auf- und abdriften, fügt Brüche ein. Das ist gut. Mal kokettiert Chesnutt mit Swing und Reggae, mal mit Gospel. Dann wird er, wie bei "Love Is More Than A Wedding Day", zum Prediger der Liebe, tänzelt, reißt die Arme hoch und krümmt sich kurz darauf, als sei das Gefühl so intensiv, das es Schmerzen bereitet.

Mit seinem Vollbart und dem Helm, den Chesnutt nur am Ende kurz zum Salut abnimmt, wirkt er wie einer jener Typen, die in Großstädten wie New York auf Verkehrsinseln in ihre ganz eigene Performance versunken sind. Doch auch wenn er Angst haben mag, dass ihm der Himmel auf den Kopf fällt: Vor dem Publikum hat er keine Scheu. Beherzt schüttelt er Hände, plaudert, flirtet und tanzt mit seinen Fans. Zum Dank: viel Jubel.