Am Montag starb der Theaterzauberer und Bühnenmagier Jérôme Savary im Alter von 70 Jahren an einer Krebserkrankung

Hamburg. Ein klassischer Regisseur war Jérôme Savary nicht. Der in Argentinien geborene Franzose, dessen Mutter einer New Yorker Gouverneursfamilie entstammte, hatte sowohl an der Pariser Eliteschule Ecole Supérieure Musik studiert wie bei den Künstlern Count Basie und Thelonius Monk. Er konnte zeichnen, fotografieren, schreiben, mehrere Instrumente spielen. Er war studierter Trompeter und damit auch musikalisch sehr nahe an dem, was seine Lebenspassion werden sollte: der Zirkus.

Als junger Mann gründete er 1966 in Paris "Le Grand Magic Circus", eine bunte Truppe, mit der er um die Welt zog und riesige Revuen zeigte. Seine Aufführungen entstanden aus bunten Kostümen, Musik, Tanz, Gesang, explosiv schöpferischer Fantasie, naiver Spiellust, komödiantischem Körpertheater. Savary war der Zauberer, der das Publikum ebenso mitriss wie seine Truppe. Kreativität, Spielfreude, Entertainment und Improvisation standen im Mittelpunkt seiner Spektakel, seiner bunten Bilderwelt, die sich mal dem Stoff "In 80 Tagen um die Welt" widmete, mal "1001 Nacht" oder der Weltgeschichte "Von Moses bis Mao". Savary zeigte den deutschen Bühnen von der Mitte der 70er-Jahre an, wie Theater auch sein kann: dynamisch, zirzensisch, eine furiose Melange aus Music Hall, Varieté, Vaudeville, Slapstick, aus Poesie, Zärtlichkeit und Trauer. Es war ein greller, wildbewegter Traum. Vor allem war es sinnlich. Savary benutzte "ordinäre" Theatermittel, trieb den Inszenierungen alles Verkopfte, Hehre aus und setzte darauf, Spaß zu machen.

Zu den Höhepunkten der Hamburger Theatergeschichte zählt Jérôme Savarys Inszenierung der Offenbach-Operette "Périchole" mit Christa Berndl in der Titelrolle. 40 Minuten Premierenapplaus standen am Anfang dieser Geschichte. Es war der Beginn einer Ära, in der Schauspieler auf der Bühne stehen und singen. Sehr schön singen. Und dabei auch noch lustig sind. Das satirisch-romantische Musikmärchen "Périchole" lief von Mai 1977 an mehrere Jahre ausverkauft im Deutschen Schauspielhaus. Zu einer Zeit, als an diesem Theater Regiegrößen wie Giorgio Strehler, Luc Bondy, Rainer Werner Fassbinder, Peter Zadek oder Rudolf Noelte stilbildende Aufführungen inszenierten, hatte Savary hier seinen größten Triumph mit Kalauern und Knalleffekten.

Von 1982 an arbeitete Savary wieder hauptsächlich in Frankreich. Er wurde Präsident des Nouveau Théâtre Populaire in Montpellier und am Centre dramatique von Lyon. 1985 übernahm er die Leitung des Théâtre du 8ième in Lyon. 1988 wurde er in Paris Direktor des Théâtre National de Chaillot am Trocadéro. 1999 wurde Savary für sieben Jahre Leiter der Pariser Opéra Comique, die er sehr erfolgreich leitete.

Unter dem Namen "Boîte à Rêves" (Schachtel für Träume) gründete Savary 2007 nach seinem Abschied aus Paris eine eigene Bühne in einem ehemaligen Franziskanerkloster in Béziers im Südwesten Frankreichs. Mit einer eigenen Truppe begann er dort neue Stücke für europaweite Tourneen zu erproben und eine Theaterakademie einzurichten. In einem Interview sagte Savary: "Ich bin wieder da angelangt, wo ich einmal angefangen habe: ein Gaukler, der über die Straßen zieht."

Jérôme Savary hat in seinem Leben mehr als 200 Inszenierungen geschaffen. In Hamburg war Savary noch einmal 2008 zu Gast, als er am St. Pauli Theater "Happy End" inszenierte.

Savary starb am Montagabend in einem Pariser Krankenhaus an einem Krebsleiden.