In der Galerie Borchardt erinnern übermalte Fotos von Helle Jetzig an industrielle Massenproduktion

Galerie Borchardt. Eine befahrene Straße im Herzen New Yorks. Taxis stehen Stoßstange an Stoßstande, Menschen drängen sich auf Wegen aneinander vorbei und zwischen den Autos hindurch. Die Spitzen der Hochhäuser, die links und rechts von ihnen emporragen, werden durch den Rahmen des Bildes abgeschnitten. Eine typische Fotografie des alltäglichen Großstadttreibens - wären die Straßen nicht grün, der Himmel nicht mattrosa, die Bauten nicht violett, orange und rot.

Helle Jetzigs Kunst hat einen ganz besonderen Charakter, verbindet Fotografie mit Malerei. Der Künstler verfremdet eigens analog fotografierte Stillleben durch vielschichtige Übermalung mit Lacken und partiellem Siebdruck. Die Farbgebungen des Lacks gehen ineinander über, alltagstypische Motive werden aus der Normalität enthoben, eine neue Sichtweise entsteht. Als Motive für seine Werke nutzte der Fotograf und Maler Architektur aus New York, Amsterdam und Taipeh.

Diesmal wurde Jetzig nicht von Großstädten inspiriert, sondern von seinem Wohnort Osnabrück. Er hat Fotos der Georgsmarienhütte, ein Walzwerk, das dort 1856 eröffnet wurde, mit der speziellen Lacktechnik verfremdet.

Mit seiner Bearbeitung schafft er eine Industrieromantik, die an die industrielle Massenproduktion erinnern soll. Diese hat seit der Digitalisierung exponentiell an nostalgischem Charakter gewonnen. Jetzig paraphrasiert diese Nostalgie mit dem Ausstellungstitel "romantic 2.0". Das Spiel mit Widersprüchen und Gegensätzen verdeutlicht nicht nur die epochale Veränderung der heutigen Zeit, sondern auch die Weiterentwicklung des Künstlers. Die Galerie Borchardt zeigt neben seiner aktuellen Kunst retrospektive Werke. Werke, die sich wegen ihrer Kraft, Dynamik und Moderne lohnen, gesehen zu werden. Ein Spiel mit der Nostalgie auf innovativen Wegen.

Helle Jetzig : "Romantic 2.0." bis 15.5., jew. Di-Fr, 12.00-18.00, Sa 12.00-16.00, Galerie Borchardt (U Meßberg), Hopfensack 19, Eintritt frei