Jan Georg Schütte und sein Team stellen heute ihre dritte Improvisation im Abaton-Kino vor. Titel: “Leg ihn um. Ein Familienfest“

Hamburg. Die Filme des Hamburgers Jan Georg Schütte funktionieren etwas anders als andere. Aus einem Rollenspiel mit ein paar Schauspielkollegen, unter ihnen Susanne Wolff (Ex-Thalia) und Stephan Schad (Schauspielhaus), entstand vor acht Jahren an nur zwei Nachmittagen seine erste Film-Improvisation "Swinger Club". Den Darstellern verlangte sie ein Höchstmaß an Spontaneität und Risikofreude ab, bereitete allen Beteiligten jedoch so viel Vergnügen, dass man sich zwei Jahre später mit dem Beziehungsmelodram "Die Glücklichen", Drehzeit diesmal drei Tage, rasch für ein weiteres Filmexperiment verabredete.

Heute stellt Schütte in einer Preview im Abaton-Kino seinen dritten Spielfilm vor. "Leg ihn um. Ein Familienfest" ist sowohl inhaltlich als auch formal eine konsequente Weiterentwicklung der Vorgänger. Auch er entstand ohne fertiges Drehbuch in improvisierten Szenen und monatelanger Arbeit am Schneidetisch.

Schütte wollte die Schraube gemeinsam mit seinem Ensemble noch weiter anziehen. "Wir kennen uns so lange, da entstehen schon familiäre Strukturen", sagt er, ein wieselflink denkender Mann, Unangepasstheit auf der Zunge. Schon die Versuchsanordnung dieser Familiengeschichte über einen todkranken Patriarchen klingt einigermaßen bizarr. Eines der vier Kinder soll ihn binnen einer Woche abmurksen, andernfalls würde das Erbe an wohltätige Zwecke gehen. Das führt in der Folge zu allerlei Kleinkatastrophen aber auch zu eruptiven komödiantischen Momenten.

"Der Film 'Das Fest' war für mich die Initialzündung, überhaupt Filme zu drehen. Ich mag es aber gerne leicht überzeichnet", sagt Jan Georg Schütte. "Ich dachte, hier brauchen wir Sex und Crime, aber mir geht es immer auch um eine Befreiung durchs Lachen." Ein Kunstgriff, der in diesem Reigen des Grotesken aufs vortrefflichste funktioniert. Schütte hat die Figuren diesmal gemeinsam mit bekannten (Ex-)Hamburger Bühnendarstellern wie Oliver Sauer, Stephan Schad, Susanne Wolff, Pheline Roggan, Hans-Michael Rehberg, Anne Weber, Ole Schlosshauer und Oana Solomon entwickelt. Das System einer dysfunktionalen Familie erforschte er mit ihnen gemeinsam anhand einer Familienaufstellung.

Die drei ältesten Nachkommen haben ein reichlich gestörtes Verhältnis zu ihrem Vater, gespielt von Hans-Michael Rehberg, und erleben in der zugespitzten Lage Momente von rarer Nähe aber auch Überforderung. Einzig das Verhältnis zu Familienküken Elisabeth, gespielt von Pheline Roggan, ist ungetrübt. Der älteste Sohn Karl ist bei Oliver Sauer ein verklemmt Homosexueller ohne Coming-out. Stephan Schad reizt die Rolle von Sohn Hugo, einem großmäuligen Bohemien und Nichtsnutz mit materialistisch ausgerichteter Freundin wunderbar aus. Und die stets so kraftvolle Susanne Wolff ist als Mauerblümchen mit Hang zur Betschwester zu erleben.

Der Impuls, eigene Filme zu drehen kam Schütte, von Haus aus Theater- und Filmschauspieler, im Laufe eigener Probenerfahrungen. "Ich wurde manchmal anstrengend, weil ich anfing, der Regie reinzureden." Und genau wie seine Darsteller genoss er die extrem zugespitzte Drehsituation. Alle Mitwirkenden erhielten vorher ausführliche Infos zu ihren Figuren, aber nur Anfang und Ende einer Szene. "Wie sie dahin kamen, war ihre Sache." Ein Sprung ohne Netz und doppelten Boden. "Das wichtigste Moment beim Spielen und beim Geschichten erzählen, ist doch die Überraschung. Wenn man wie beim üblichen Dreh eine Szene 20-mal durchspielt, ist das schwer herzustellen." Diese Zeit haben seine Darsteller nicht. In der Regel ist der erste Take auch der letzte.

Es gibt in "Leg ihn um" eine Szene, in der Sylvia Manzl gespielt von Susanne Wolff, ihren Vater bekocht und ihm Gift ins Essen mischt. Doch der will kurzerhand die Teller tauschen. Ein spontaner Einfall von Hans-Michael Rehberg, auf den Wolff direkt vor der Kamera reagieren musste. Probleme, seine Darsteller zum Improvisieren zu motivieren, hat Schütte nicht. "Jeder ist doch froh, wenn er mal frei spielen darf. Das hat uns Schauspieler doch mal zu dem Beruf getrieben. Die eigene Fantasie zu leben."

Die Drehbuch-Verweigerung Schüttes ist einerseits einer Zeitökonomie, dem knappen Budget von 150.000 Euro, also einem Zehntel eines gewöhnlichen Filmbudgets, aber auch einer Scheu geschuldet, mit einem fixierten Dialog in Plattitüden abzugleiten. Die meisten Dialoge in deutschen TV-Produktionen findet er "schrecklich", die Sender agierten oft zu mutlos. "Mein Film ist ein Statement gegen diese ganze Betroffenheit, die über den Bildschirm wabert." Bei den deutschen Komödien sieht er noch Nischen jenseits von "Kokowääh". "Da grätsche ich rein."

Die ungewöhnliche Machart gibt seinen Filmen etwas liebenswert Rohes, Ungeschliffenes. Wie ein halb fertig produziertes Musikalbum. Denn manchmal hat Kunstfertigkeit nichts mit Perfektion zu tun.

Preview mit Gästen: "Leg ihn um. Ein Familienfest" Di 5.3., 20.00, Abaton-Kino, Allende-Platz 3, Lesen Sie dazu am Donnerstag eine Filmkritik in Hamburg LIVE; www.leg-ihn-um.de