Alter schützt vor Liebe nicht, zeigen Uta Stammer und Joachim Bliese bezaubernd in “Noch eenmal verleevt“ am Ohnsorg

Hamburg. Sie liebt Hunde, er liebt die Oper. Auf einer Bank bei der "schietigen Spielwiese" für Vierbeiner begegnen sich die Senioren Ralf und Karoline. Ralf heißt eigentlich Raffaelo und wollte Sänger werden. In seiner Erinnerung sieht er sich als junger hoffnungsvoller Mann. Er versucht auch noch die ältere adrette Dame in Katrin Reimers' lauschigem Parkrund mit seinen Stimmkünsten zu beeindrucken. "Se singt wohl gern, ne" kommentiert Karoline trocken und weist zunächst seine charmant direkte Anmache ab, nicht ohne darauf geschmeichelt und "hiddelig" zu reagieren.

Zart bahnt sich eine "letzte Romanze" in der plattdeutschen Erstaufführung "Noch eenmal verleevt" an. Manfred Hinrichs bearbeitete Joe DiPietros humorvolles Dialogstück über verpasste Chancen, aufgegebene Träume, Partnerverlust, Krankheit und das Ende des Lebens, das doch noch nicht ganz zu Ende sein muss. In Adelheid Müthers präzise gearbeiteter und sich stimmungsvoll entfaltender Inszenierung brillieren Uta Stammer (Karoline), Edda Loges als Ralfs verbitterte Schwester Roos und Joachim Bliese mit psychologischer Feinzeichnung der Charaktere und wunderbar leisen - am Ohnsorg doch eher seltenen - Zwischentönen.

Aber auch die Komik kommt nicht zu kurz im Spiel mit den unsichtbaren Kläffern und Karolines über alles geliebtem "Handfeger-Wuffi" Plüschappel. Der über dem Flirten mit Ralf entlaufene, bis zur Pause unsichtbar bleibende Hund bekommt dann doch noch seinen Auftritt in Gestalt des knuddeligen Zwergschnautzers Lumpacivagabundus. So heißt übrigens der böse Geist in Johann Nestroys Zauberposse "Das liederliche Kleeblatt". Das geborene Theaterviech beglückt mit seinem Strubbelcharme nicht nur Karoline beim seligen Wiedersehen, sondern entzückt auch die Zuschauer.

Vom Bariton Damian Delvaux de Fenffe, Ralfs jungem, sangesstolzem Alter Ego, kann man das weniger behaupten. Er sieht zwar mit den gelackten Haaren wie der ideale Latin Lover aus, enttäuscht jedoch sobald er den Mund öffnet. Nicht nur bei Don Giovannis Champagner-Arie hat er massive Probleme mit der Intonation und den Höhen. So schräg wie sich sein "Belcanto" bei Silvios Liebesflehen aus Leoncavallos "Der Bajazzo" anhört, hätte der schöne Poseur bestimmt keine zweite Einladung zum Vorsingen in der Hamburgischen Staatsoper erhalten - wie damals Ralf. Doch Schwester Roos verhinderte seine Bühnenkarriere. Er sollte lieber seine junge Familie versorgen. Nun kümmert sie sich um den alten Bruder besitzergreifend, kontrolliert ihn wie einen Ersatzehemann und versucht eifersüchtig die sich anbahnende Beziehung zu verhindern.

Edda Loges spielt in uneitler Selbstverleugnung und fern der Karikatur eines bösen Weibs die hantige Alte, die sich nicht scheiden lassen will. Sie zeichnet bemitleidenswert eine kreuzunglückliche Frau, die sich und ihren Lieben im Weg steht. Von Anfang an lässt Uta Stammer spüren, dass Karoline ein Geheimnis bedrückt. Scheu und mit ihren Gefühlen ringend, öffnet sie sich Ralfs unnachgiebigem Werben - gewährt ihm sogar einen Kuss. Joachim Bliese gewinnt seinem Raffaelo von der Waterkant und dem Plattdeutschen komisch und verführerisch Funken südländischen Feuers. Er ist einfach hinreißend und unwiderstehlich.

"Noch eenmal verleevt" bis 13.4., Ohnsorg-Theater, Karten: T. 35 08 03 21; www.ohnsorg.de