Das Festival “Lux aeterna“ endete mit Ton Koopman und dem Amsterdam Baroque Ensemble & Choir in der leider nur schwach besuchten St.-Michaelis-Kirche

Hamburg. Was mögen das für Zeiten gewesen sein, in denen Hamburgs verstorbenen Bürgermeistern bei der Trauerfeier mit einer Musik hinterhergeweint wurde, die der berufenste Musiker der Stadt extra zu diesem Anlass komponiert hatte? Andere jedenfalls als heute. 46 Jahre lang diente Georg Philipp Telemann in Hamburg, von 1721 bis 1767. Als Director musices brachte Telemann so manchen Bürgermeister mithilfe seines klingenden Lobpreises unter die Erde. Zwei dieser "Lamentationes" waren zum Abschluss des Festivals "Lux aeterna" in der Hauptkirche St. Michaelis in einer mustergültigen Aufführung zu hören.

Ton Koopman und sein Amsterdam Baroque Ensemble & Choir waren mit vier Gesangssolisten gekommen, um die mit Telemann-Pflege im großen Stil nicht gerade verwöhnten Spätnachfahren an einen der wenigen weltbedeutenden Musiker ihrer Stadt zu erinnern. In Magdeburg geboren, verbrachte Telemann doch den Großteil seines langen Lebens in Hamburg. Als er mit der Trauermusik "Selig sind die Toten" Bürgermeister Ludwig Becceler beerdigen half, der 1720 die Amtsgeschäfte abgegeben hatte, war er selbst erst seit ein paar Monaten in der Stadt. Die fast doppelt so lange Abschiedsmusik "Das Leben ist ein Rauch, ein Schaum" wurde anlässlich des Heimganges Bürgermeister Heinrich Dieterich Wieses geschrieben, der zum Zeitpunkt von Telemanns Wechsel nach Hamburg amtierte.

Sechs Jahre liegen zwischen den beiden Werken; schön und würdig zu hören waren beide. Koopman sorgte mit dem ihm eigenen, auch für den Zuschauer fast physisch erlebbaren Schwung beim Dirigieren für ein Höchstmaß an Beweglichkeit. Seine Streicher scheuen das Vibrato wie der Teufel das Weihwasser, artikulieren aber jeden Ton mit Intensität und lebhaft geführtem Bogen. Die drei Trompeter standen mit ihren langen Barockkanonen da wie Füsiliere. Ihre weichen Töne schossen sie wundervoll dezent und wohlklingend ab.

Was mögen das für Zeiten gewesen sein, in denen der berufenste Musiker Hamburgs anlässlich des Erdbebens von Lissabon 1755, bei dem fast die ganze Stadt zerstört wurde und zwischen 30.000 und 100.000 Menschen ihr Leben verloren, eine Kantate komponieren konnte, die, statt zu klagen und dem Zweifel an der Gerechtigkeit Gottes Laut zu geben, die Hörer beharrlich auf dessen Güte, Unerforschlichkeit und Herrlichkeit verwies? Andere als heute. Demut gegenüber Schicksalsschlägen, Trost und Zuversicht im Angesicht der tobenden Elemente sind nicht gerade Stärken unserer gegenwärtigen Kultur. Das Festival "Lux aeterna" brachte in den letzten vier Wochen etwas von diesem Geist in die Stadt zurück.

Telemanns "Donnerode" für Lissabon, im zweiten Teil des Abends glanzvoll von Koopmans Musikerschar gesungen und gespielt, bot mit vielen Paukenwirbeln, düster schmetterndem Naturhorn, Unheil kündenden Fanfarenstößen der Trompeten und Beben in den Streichern lautmalerisch allerhand von dem auf, was der Gott glorifizierende Text allenfalls zwischen den Zeilen durchscheinen ließ. Doch mit dem festlichen Eingangs- und Schlusschor gab Telemann seinen Hörern starke seelisch-spirituelle Aufbaunahrung.

Schade nur, dass das, was als spätes Telemann-Heimspiel hätte funktionieren müssen, so wenig Zuhörer fand. Der schlecht besuchte Michel verregnete den Veranstaltern etwas die Bilanz. Die Elbphilharmonie-Konzerte melden rund 19.000 Besucher bei 25 Konzerten, acht davon ausverkauft, und eine Auslastung von etwas über 80 Prozent. Die nächste Ausgabe des Festivals mit spiritueller Musik ist für 2015 versprochen.