Korruptionskomödie “Eine Hand wäscht die andere“ überzeugt mit Ulrich Noethen als Steuerbeamter, der nimmt, was er kriegen kann.

Ein Korb mit frischem Spargel, ein Gutschein für ein Wellness-Wochenende, ein Polizist der beide Augen zudrückt und das gerade ausgestellte Knöllchen wieder einsteckt: Es kann schon viele Vorteile haben, wenn eine Hand die andere wäscht. Das jedenfalls findet Steueroberinspektor Chlodwig Pullmann (Ulrich Noethen), der in einer norddeutschen Kleinstadt auf ganz eigene Art Betriebsprüfungen durchführt. So nämlich, dass wenig Steuerforderungen an die Gewerbetreibenden und umso mehr geldwerte Vorteile für ihn abfallen.

Zwar sorgt seine Frau Jenny (Steffi Kühnert) mit ihrer Anti-Korruptions-Initiative für ein wenig Störfeuer, doch solange am Ort vom Bürgermeister bis zum letzten Amtsstuben-Hiwi alle zusammenhalten, kann da nichts passieren. Man hat sich gut eingerichtet, profitiert voneinander und geht mit einem zufriedenen Lächeln durchs Leben. Warum auch nicht, wenn jedes Problem sich auf dem kurzen, gelegentlich mit Edelarmaturen gepflasterten Dienstweg lösen lässt.

Doch, ach, Unheil naht in Gestalt des ehrgeizigen neuen Chefs aus der Landeshauptstadt. Der junge Jakob Kronibus (Alexander Scheer) will mit dem ganzen Klüngel nämlich nichts zu schaffen haben, sondern lieber die Effektivität der Behörde steigern. Und dazu gehört nun mal, dass künftig deutlich mehr Steuern gezahlt werden. Was seine Untergebenen mächtig ins Schwitzen bringt. Wer sich einmal an all die schönen Extras und Vergünstigungen gewöhnt hat, mag eben nicht so ohne Weiteres davon lassen. Zumal von einem Tag auf den anderen nicht nur der dubios finanzierte Luxuskaffeevollautomat auf dem Prüfstand steht, der im Büro für heißen Espresso sorgt. Auch strafrechtliche Konsequenzen sind nicht auszuschließen.

"Eine Hand wäscht die andere" von Hermine Huntgeburth (Drehbuch: Volker Einrauch und Lothar Kurzawa) nimmt das große Thema Korruption im besten Sinne auf die leichte Schulter. Hier geht es nicht um Weltkonzerne, die zwecks Gewinnmaximierung Lustreisen finanzieren, oder Politiker, die sich von Lobbyisten schmieren lassen, sondern um die ganz alltägliche Mitnahmementalität in den Bürostuben. Um die kleine Gefälligkeit, die schnell zur Selbstverständlichkeit wird und an der sich niemand stört: Haben doch schließlich alle was davon.

Absolut brillant und lebensnah: Ulrich Noethen, stets mit einem verschmitzten Lächeln im Gesicht, der mit so viel Chuzpe die Hand aufhält, dass es eine wahre Freude ist. Etwa wenn er sich beim Chef des Tennisclubs über plumpe Bestechungsversuche mokiert und den fehlenden Stil mancher Klienten beklagt. Nur um im nächsten Moment die kostenlose Fünf-Jahres-Mitgliedschaft abzugreifen und die Clubkarte dezent in der Jackentasche verschwinden zu lassen. Klar, dass dieses Denkmal der Selbstzufriedenheit nach Wegen sucht, den Staus quo zu erhalten. Als Gegenspieler macht Alexander Scheer eine prima Figur. Wie er sich nervös durch die Gegend schlakst und schmallippig auf Transparenz pocht, das ist der maximale Gegensatz zum saturierten Pullmann/Noethen. Hübsch anzusehen übrigens auch Peter Lohmeyer als Ullmanns Schwager Johnny, der nach einem Unfall psychisch gestört ist und dem Affen ordentlich Zucker gibt. Vom allgemeinen Geschacher und Gemauschel profitiert auch er - allerdings ohne es zu wissen.

"Eine Hand wäscht die andere" ist ein kurzweiliges Sehvergnügen, weil das Trio Huntgeburth/Einrauch/Kurzawa eben nicht auf Schenkelklopfhumor setzt und auch nicht in jeden billigen Gag mitnimmt, sondern sich des Themas fast schon beiläufig und mit einer gewissen norddeutschen Lakonie bemächtigt. Etwa wenn sich zunächst einmal niemand daran stört, dass der (alte) Amtsleiter mit der Bierflasche in der Hand seit Stunden schon den Kopf auf der Schreibtischplatte abgelegt hat. Ungewöhnlich erscheint das erst, als auch der Feierabend zu "verschlafen" werden droht und sich dann tatsächlich herausstellt: Der Mann ist tot, wer weiß, wie lange schon.

"In jedem Nein steckt ein Ja, das gefunden werden muss", lautet Chlodwig Pullmanns Devise, und bisher ist er damit gut gefahren. Wer ihn in dieser Komödie locker plaudern hört, weiß natürlich sofort, dass hier einer spricht, der immer wieder auf die Füße fällt. Und mögen die Umstände einen Moment lang auch noch so ungünstig erscheinen. Selbst einen potenziell vernichtenden Satz wie "Sie sind eine Schande für dieses Amt" lächelt dieser Mann einfach weg.

"Eine Hand wäscht die andere" heute, 20.15 Uhr, Arte; www.arte.tv