“Über das Ende der Enthaltsamkeit“ - Hamburger Flaneure der Nacht lesen im Golem

Hamburg. Heinz Strunk betrachtet die Sache mit dem Alkohol aus dem Blickwinkel des sogenannten "Strunk-Prinzips": "Ein Kasten Bier ist ein Getränk für zwei Personen, wenn einer nicht mittrinkt."

Das Strunk-Prinzip fußt ferner auf einer klaren Annahme: "Trinker - Geschöpfe der Lust. Nichttrinker - Geschöpfe der Unlust. So einfach ist das." Wichtigste Regel: "Tagsüber trinken ist nur erlaubt in Begleitung anderer trinkender Erwachsener." Nun ist Strunk Autor ("Fleisch ist mein Gemüse") und Humorfachkraft ("Studio Braun"), der Mann ist auf Pointen aus. Dabei ist er als Beiträger eines dieser Tage im Hamburger Nautilus-Verlag erscheinenden Bandes in guter Gesellschaft, der sich "Über das Ende der Enthaltsamkeit" Gedanken macht. Unterhaltsam und selten bierernst wird hier die Trinkkultur traktiert. Mal klug, oft gaga, bisweilen geschwätzig, selten verquast.

Anselm Lenz und Alvaro Rodrigo Pina Otey, die Betreiber des Szeneclubs Golem, geben die anarchische Textsammlung heraus. Und es ist nicht überraschend, dass zwei Gastronomen auf die Idee kommen, sich "Über Bars, Cocktails, Selbstermächtigung und die Schönheit des Niedergangs" zu verbreiten bzw. verbreiten zu lassen. Vor allem nicht, weil in den vergangenen Jahren ja auf dem literarischen Markt das Feld für Trinkbücher bereitet wurde. Der österreichische Philosoph Robert Pfaller ("Wofür es sich zu leben lohnt") hat sich zuletzt vehement für die sinnliche Entgrenzung ausgesprochen, und auch Peter Richter hat ein sehr schönes Buch "Über das Trinken" geschrieben.

So verjuxt und tresengesprächsmäßig wie dieses neue jetzt war aber keins, und vielleicht hält der chronische Ironie-Habitus Bedenkenträger im Zaum, die zu Recht darauf hinweisen, dass Alkohol eine (legale) Droge ist.

Zwischen Hedonismus und Säufertum besteht ein Unterschied, und in den guten Momenten markieren die Texte (u. a. von Dirk von Lowtzow, Tino Hanekamp, Hermann L. Gremliza) diese Grenze. Am Ende des hübsch gestalteten Bandes leitet ein Regelwerk die "Ausstattung und Einrichtung des heimischen Saufkabinetts" an - danke, uns reicht die aushäusige Bar alle paar Wochen mal. Am nächsten ist uns übrigens Dennis Posers Abgesang auf das Versacken, auf die durchsoffene Nacht, die mit zunehmendem Alter ein Versehen sein sollte. Aber den Drang nach Exzess vollständig unterdrücken? Das können wir Bacchus-Jünger nicht.

Die Buchpremiere von "Das Ende der Enthaltsamkeit" findet heute Abend, 20.30 Uhr, im Golem (Gr. Elbstr. 14) statt. Zusätzlich gibt es eine Podiumsdiskussion über das Spannungsverhältnis zwischen Dissidenz und Anpassung im Kulturbetrieb, moderiert von Christoph Twickel.