Der junge Sänger Allan Stone liefert im Uebel ein fulminantes Konzert im Geiste von Marvin Gaye und Stevie Wonder

Hamburg. Schon nach 45 Minuten kündigt Allen Stone seinen letzten Song an. Für einen Newcomer nicht ungewöhnlich, denn oft haben Nachwuchskünstler nur Material für eine Konzertstunde im Repertoire. Doch kurz vor dem vermeintlichen Schluss dreht der junge Soulsänger aus Seattle noch einmal richtig auf. Die angekündigte Nummer dauert eine weitere Dreiviertelstunde.

Allen Stone lässt seinen exquisiten Musikern Raum, um sich jeweils mit einem Solo zu beweisen. Er selbst tobt sich hinter dem Mikro bei "Satisfaction" aus, einem Lied, das zwar denselben Titel wie der Rolling-Stones-Hit trägt, aber aus der Feder des 25 Jahre alten Amerikaners stammt und ziemlich anders geht. Zwei weitere Zugaben schließen sich an.

Allen Stones ausgezeichnetes Debütalbum "Unaware" erschien erst am vergangenen Freitag. Doch schon wollten rund 400 Zuhörer den weißen Soul-Hippie live erleben. Das Wort Hippie passt, weil Allen eine blonde Mähne unter seinem Hut trägt, Soul, weil er die Musik afroamerikanischer Vorbilder wie Stevie Wonder, Donny Hathaway oder Marvin Gaye in sich aufgesogen und, an diese Vorbilder anknüpfend, seine eigenen Songs geschrieben hat.

Bei "The Wind" flüstert er den Text wie Gaye und gibt dem Song eine sakrale Aura, beim mitreißenden "Sleep" explodiert er, stampft mit den Füßen und zelebriert einen wilden Shuffle wie Otis Redding in den 60ern. Bei "Say So" ruft das Auditorium den Refrain lautstark in Richtung Bühne. Traditionelles schwarzes Call and response funktioniert auch in einem europäischen Club.

Dieser Allen Stone ist ein Energiebolzen, der seine Gefühle und seine Kritik nach außen trägt. Liebesklischees und Beziehungsszenarien interessieren ihn wenig. In "Contact High" über er Kritik an sozialen Netzwerken, in "Unaware" zweifelt er die Ehrlichkeit staatlicher Autoritäten an. Bei solchen Texten wirkt er ein wenig wie das Sprachrohr der Occupy-Bewegung.

Doch der Mann von der Pazifikküste will nicht agitieren. Er will, dass seine Fans Spaß haben. Denn tanzen kann man auch zu intelligenten Texten. Eindreiviertel Stunden dauert der furiose Auftritt des bebrillten Sängers und seiner Band. Solchen Groove hat das Uebel & Gefährlich zuletzt bei Lee Fields und Sharon Jones erlebt. Allen Stone darf sich in die Reihe ernst zu nehmender Soulsänger einreihen - auch wenn seine Haut weiß wie Alabaster ist.