Eine “Vermisstenanzeige“ von Thomas Andre

Über die Anführungszeichen wird seit geraumer Zeit so viel geredet, dass sie, so scheint es, ihre Gänsefüßchen in die Hand genommen und einfach mal stiften gegangen sind. Ist ja nicht zum Aushalten, immer wird auf ihnen herumgehackt, weil sie in irgendwelchen Doktorarbeiten zu wenig oder in Pamphleten zu viel gesetzt werden. Die Dinger heißen so süß bisweilen ja auch "Tüttelchen", und diese "Tüttelchen" sehen in Tüttelchen noch besser aus.

Auf >>Französisch<< werden Anführungszeichen "Guillemets" genannt, und es wäre mal interessant zu erfahren, wie groß ihre Beliebtheit jenseits des Rheins ist. Bei uns machen sie sich, wie gesagt "vom Acker".

Anders gesagt: Die Gänsefüßchen, die anderswo wie Möwchen aussehen und auch da ganz possierlich sind, sind zuletzt scheinbar so viel für distanzierende Political-Correctness- und Ironie-Maßnahmen in Anspruch genommen worden, dass sie ihrer ureigenen Aufgabe, ein wörtliches Zitat anzuzeigen, nicht mehr nachkommen mögen. Sie sind gleichsam aus den Büchern "geflattert", vielleicht ja tatsächlich in den warmen Süden. Welchen Roman man auch zur Hand nimmt, die Wahrscheinlichkeit ist ziemlich groß, dort auf alles, wirklich alles zu stoßen: zum Beispiel Sadomaso-Sex und den wieder auferstandenen Adolf Hitler. Nur Anführungszeichen findet man nicht mehr. Langsam wird es Zeit für eine "Vermisstenanzeige", oder? Lassen wir sie halt woanders weg! Ironie wird ja manchmal auch überschätzt.