Michael Bogdanov inszenierte die Uraufführung von Helen Edmundsons “Mephisto“- Adaption nach Klaus Mann im Altonaer Theater.

Hamburg. Berlin 1936. Schauspieler Hendrik Höfgen triumphiert am Preußischen Staatstheater als Mephisto in Goethes "Faust". Der rote Vorhang im Altonaer Theater öffnet sich und der Teufelspakt zwischen dem Gelehrten und dem "Geist, der stets verneint" ist zu sehen. Sie schlagen ein und bekräftigen den Vertrag mit Blut. In der Szene darauf lobt der Ministerpräsident der Nationalsozialisten den Mimen in der weißen Maske, mit der Gustaf Gründgens den Seelenschacherer weltberühmt machte, für dessen Bravourleistung. Und reicht ihm die Hand. Höfgen schlägt ein.

Besiegelt ist der eigentliche Pakt mit dem Teufel in Klaus Manns Roman einer Karriere, "Mephisto". Dessen neue Bühnenadaption durch Helen Edmundson inszenierte Michael Bogdanov mit Marcus Bluhm als Wendehals Höfgen. Wie jener im Stück pausenlos Applaus erntet, feierte auch das Premierenpublikum dessen Darsteller nach der dreistündigen Uraufführung mit Ovationen.

Manns 1936 im Amsterdamer Exil geschriebenes Buch lässt verschlüsselt die kulturelle und politische Szene im Berlin und Hamburg der 30er-Jahre Revue passieren. Der Autor verlieh seinen Figuren Züge damals lebender Personen, die er auch kannte. Er war in Hamburg mit Gründgens liiert, trat dort mit ihm in den Kammerspielen auf - im Roman das "revolutionäre Künstlertheater" genannt. Die Jüdin Dora Martin ist Elisabeth Bergner, Theophil Marder der nationalkonservative Erfolgsautor Carl Sternheim, der Pamela Wedekind (Nicoletta) heiratete. In den Bruckners sind unschwer Thomas Mann und seine Tochter Erika (Barbara) zu erkennen, die Gründgens heiratete. Aufgrund der offenkundigen Parallelen erwirkte Gründgens' Erbe Peter Gorski 1961 ein Verbot des Romans, der erst wieder 1981 erschien, gefolgt von der Bühnenfassung der französischen Regisseurin Ariane Mnouchkine und István Szabós oscarprämierter Verfilmung mit Klaus Maria Brandauer als Höfgen.

Was ist nun neu an Edmundsons Fassung? Sie hält sich weitgehend an die Chronologie der Ereignisse, zeigt sie in Höfgens Rückblick, ausgelöst durch sein schlechtes Gewissen, personifiziert in einem schattenhaft diabolischen Doppelgänger (Uwe Serafin). In einem Duell am Schluss ringt Höfgen mit seinem Wunsch-Alter-Ego, das sich politisch korrekt verhalten hätte, und verdrängt es endgültig in die Bühnenversenkung.

"Ich bin kein Held. Ich bin ein Schauspieler", rechtfertigt sich Höfgen gegenüber der zweiten Gegenfigur Otto Ulrichs in Edmundsons Bearbeitung. Der Genosse und Kollege aus der Zeit des revolutionären Künstlertheaters, dem 1933 von den Nazis ermordeten Schauspieler Hans Otto nachempfunden, bleibt im Widerstand bis zuletzt seinen Überzeugungen treu. Für Höfgen dagegen ist der Revolutionär nur eine weitere Rolle unter seinen vielen.

Marcus Bluhm zeichnet eine zwischen Größenwahn und Minderwertigkeitsgefühlen, zwischen Angst und Scham, Ehrgeiz und Selbstzweifeln zerrissene Künstlernatur. Er wirft sich groß in Pose, demütigt sich dann vor seiner farbigen Geliebten und Tanzlehrerin Julietta (Dayan Kodua). In seinem hysterischen Elan, der billigen Dämonie, der falschen Würde und dem eitlen Zynismus ähnelt der Komödiant letztlich dem Politiker-Panoptikum des seinen Machtterror ausübenden NS-Regimes.

Bluhm und Regisseur Bogdanov verzichten klugerweise auf eine Gründgens-Imitation. Höfgen ist ihnen ein beispielhafter Typ für politisches Mitläufertum zugunsten einer raschen Karriere.

Regisseur Bogdanov hätte sich einige der ohnehin nur halbherzig ausgeführten und die Nazi-Gewalt illustrierenden Szenen schenken können. Das Publikum versteht auch ohne sie, da benötigt es weder das Lied "Die Reihen fest geschlossen" noch Nazi-Gruß oder Folterkäfig. Auch hätten Kürzungen im detailverliebt ausgebreiteten Bilderbogen aus der damaligen Künstlerszene nicht geschadet. Dagegen hätten die Ausführung und Betonung des interessanten Doppelgänger-Motivs und Höfgens Gegenfigur Ulrichs (Nils Benedikt Höddinghaus) der "Mephisto"-Neufassung nicht geschadet.

In Ulrike Engelbrechts rasche Szenenwechsel ermöglichender Theater-Szenerie auf dem Theater agiert um die Protagonisten ein großes, spielfreudiges, doch den darstellerischen Anforderungen nicht immer gewachsenes Ensemble in den verschiedenen Episodenrollen. Sie bleiben in den Kurzauftritten blasse Charge oder geraten sogar zur krachenden Karikatur aus einem schlechten Polit-Kabarett.

So trübt der qualitative Abstand zwischen den Hauptdarstellern und dem teilweise sehr jungen Ensemble doch den Gesamteindruck des ambitionieren "Mephisto"-Projekts. In seinen aktuellen und historischen Bezügen ist es durchaus von Interesse und bietet mit der Geschichte vom Aufstieg des "Kulturbolschewisten" Höfgen zum Nazi-Superstar einen ironischen Blick hinter die Kulissen der Macht- und der Kunst-Inszenierung.

"Mephisto" bis 1.4., Altonaer Theater, Karten unter T. 39 90 58 70

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