Hamburg. Es ist kein Zufall, dass es nur so wenige bekannte Oboisten gibt. Daran ist das schmale Repertoire nicht ganz unschuldig. Albrecht Mayer, derzeit vermutlich der berühmteste Vertreter seines Fachs und nebenher Solo-Oboist der Berliner Philharmoniker, hat gerade in der Laeiszhalle vorgeführt, wie er die Leerstellen füllt: Er greift sich Stücke, die ihm gefallen - und wenn keine Oboe darin vorkommt, spielt er sie eben in Bearbeitungen. Das kann vorzüglich gelingen wie im Falle des Zyklus "Le Tombeau de Couperin" von Ravel, einer Hommage an den Komponisten des französischen Barock. Wiewohl im Original ein Klavierwerk, begannen die zartgewobenen Melodien in Mayers frei schwingendem Ton zu schweben und zu flirren.

Bei ausgewählten "Liedern ohne Worte" von Mendelssohn, ebenfalls für Klavier komponiert, fremdelte das Ohr etwas. Die Musik ist von der Struktur her eher auf das für das Klavier typische Verklingen angelegt, weshalb die Streicher des Zürcher Kammerorchesters, die das Konzert damit eröffneten, zunächst arg süßlich klangen. Doch das machten sie alsbald vergessen, so fein stuften sie die Stimmungen und Klangfarben ab.

Mit dem Ensemble hatte Mayer eine wirklich feine Truppe an seiner Seite. Schlackenlos im Ton, agil und traumwandlerisch sicher im Zusammenspiel präsentierte sich das Orchester unter der Leitung des Konzertmeisters Willi Zimmermann in einer erbarmungslos virtuosen Streichersonate von Rossini und der D-Dur-Streichersinfonie von Mendelssohn. Und beim Oboenkonzert von Ralph Vaughan Williams spielten Solist und Orchester einander die musikalischen Ideen zu wie Bälle.

Um Inspiration war Mayer ohnehin nicht verlegen. Zwischendurch erzählte er von seiner Magenverstimmung und witzelte über die Elbphilharmonie. Ein im besten Sinne unterhaltsamer Abend. Und so richtig ins Herz ging die zweite Zugabe, die Sinfonia aus Bachs Kantate "Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen". Übrigens ein Originalwerk.