Fast wie Scientology: Paul Thomas Andersons überzeugendes Drama “The Master“ mit Joaquin Phoenix und Amy Adams.

Der letzte große intellektuell zu kurz Gekommene des Kinofilms war Forrest Gump. Ein Mann, herzzerreißend in seiner Unbedarftheit; ein rundum guter Mensch. Wenn nun Freddie Quell auf die Leinwand tritt, der abgründige Protagonist des herausragenden Filmes "The Master", dann muss man nicht an seiner Aufgeschlossenheit das Arglose und Naive betreffend zweifeln, wenn man ihn nicht unbedingt mag. Freddie Quell, ein Weltkriegsveteran mit posttraumatischer Belastungsstörung, ist ein schlichter Geist. Dazu sex- und alkoholsüchtig, er ist ziemlich verloren in der zivilen Welt des Nachkriegsamerikas.

Nachdem er mit seinem selbst gemixten Schnaps - bevorzugter Stoff: Benzin! - einen anderen Arbeiter auf einer Kohlfarm vergiftet hat, läuft er Lancaster Dodd in die Arme. Der ist eine Art spiritueller Führer und versammelt einen Kreis von Leuten um sich, dem er mithilfe von Vorträgen und psychoanalytischen Sitzungen seine Lehre einbimst. Manchmal müssen die Jünger auch spezielle Übungen machen, zum Beispiel immer wieder von einer Seite des Raumes auf die andere rennen. Gehirnwäsche, genau.

Regisseur Paul Thomas Anderson war, so ist zu hören, bisweilen genervt von den ständigen Scientology-Vergleichen, die die Rezeption von "The Master" begleiteten. Dabei ist es offensichtlich, dass die Figur des Sektenführers Dodd Züge Ron L. Hubbards trägt. Philip Seymour Hoffmans Darstellung des machtbewussten, philosophisch verquasten Menschenfängers ist brillant - und wird nur von Joaquin Phoenix' überragender Interpretation des haltlosen und derangierten, in seiner Entwicklung stecken gebliebenen Freddie Quell noch übertroffen.

Beide sind wie Amy Adams für den Oscar nominiert, die Dodds Frau spielt. In den USA hat es nicht zuletzt wegen der Scientology-Parallelen Diskussionen um den Film gegeben. Die zeitliche Anbindung an die 50er-Jahre, als es noch nicht dieselbe psychologische Betreuung für Veteranen gab wie heute, steht dem universalen Thema des Films nicht entgegen: dass es immer Sinnsucher gibt, die sich Glücksversprechen von spirituellen Scharlatanen erhoffen, die gar nicht wissen, dass sie Scharlatane sind. Quell ist so kaputt, dass ihn niemand zu fassen bekommt. Die Gruppe vermutet in ihm einen Spion der Regierung, aber Dodd kämpft um ihn; Quell ist seine ultimative Machtprobe.

Bewertung: empfehlenswert

"The Master" USA 2012, 137 Min., ab 12 Jahren, R: Paul Thomas Anderson; D: Joaquin Phoenix, Philip Seymour Hoffman, Amy Adams, täglich im Abaton (OmU), Studio-Kino, Zeise; www.senator.de