Allzu entrückt: Gidon Kremer und die Kremerata Baltica zu Gast beim Festival “Lux aeterna“

Hamburg. Sehr langsam zu spielen gehört paradoxerweise zum Schwierigsten überhaupt für Musiker. Nirgends offenbaren sich Schwächen in Tongebung, Zusammenspiel und Gestaltung so erbarmungslos; es ist, als hielte man eine Lupe auf die Musik und ihre Wiedergabe. Die Kremerata Baltica, dereinst von dem lettischen Geiger Gidon Kremer als Haus-Elitetruppe gegründet, hat sich dieser Herausforderung bei ihrem Auftritt auf Kampnagel im Rahmen des Festivals "Lux aeterna" ausgiebig gestellt. Etwas zu ausgiebig, möchte man im Nachhinein sagen. Aber hinterher ist man ja immer schlauer.

Peteris Vasks' "Epifania", eine Elegie in fast puccinihaftem e-Moll, fügte sich mit ihrem sakralen Titel trefflich in das Thema des Festivals ein. Da ruckte und zuckte kein Bogen, die Streicherklänge verschmolzen mühelos zu Klangflächen, und am Schluss rutschte das Ganze in einem unendlich zarten Glissando himmelwärts ins Nichts.

Dass das Stück aus dem 21. Jahrhundert stammt, hätte man freilich nicht erwartet - genauso wenig wie bei dem anschließenden "Ex contrario" von dem Georgier Giya Kancheli. Der nahm seine Hörer mit auf eine Reise zwischen Ost und West: Eingangs rief der Synthesizer mit Hackbretttönen Bilder des traditionellen Indiens wach, die Solocellistin Giedre Dirvanauskaite mischte einen Fiedelton hinein, dann führte Kremer an der Solovioline zurück ins harmonienselige Mitteleuropa: Mal grüßte Mahler und mal Bach, und so ging es in zunehmend enervierender Harmlosigkeit fast eine halbe Stunde lang weiter. A-Moll allenthalben, auch nach der Pause. Philip Glass mixt in seinem Violinkonzert "The Four American Seasons" die gebrochenen Akkorde eines Vivaldi mit dem Groove einer Rockband, hier und da schimmert Filmmusik durch. Von Glass' berühmter "minimal music" mit ihren sich ewig im Kreise drehenden Motiven kann man halten, was man möchte - um den Hörer in Trance zu versetzen, muss sie jedenfalls makellos, glitzernd gespielt sein. Und das war sie einfach nicht, bei allem Respekt vor Gidon Kremer, einem der bedeutendsten Geiger des 20. Jahrhunderts. Kremer hat stets eine sehr persönliche, ja fragile Tonsprache gepflegt und kein Risiko gescheut. Auf Kampnagel wirkte vieles unsicher, fast buchstabiert - von den haarsträubend unsauberen Solopassagen zu schweigen.

2005 feierten Kremer und seine Truppe die Umbenennung der Musikhalle in "Laeiszhalle": vibrierend, lebendig, perfekt. Wer das Konzert damals erlebt hat, wird es nicht vergessen. Das von dieser Woche dafür umso rascher.