Seit dem 1. Februar leitet die 42-jährige Ursula Richenberger das Hafenmuseum. Sie will Geschichte mit allen Sinnen erfahrbar machen.

Hamburg. Wenn Ursula Richenberger vom Hafen erzählt, klingt das nicht besonders romantisch. Sie spricht nicht vom Fernweh, das sie beim Tuten der großen Pötte spürt, sondern eher von den 160.000 Menschen, die hier Arbeit finden. In diesen trüben Wintertagen ist die Leiterin des Hafenmuseums, die ihr Amt in der Nachfolge von Achim Quaas am 1. Februar angetreten hat, erst einmal dabei, das Terrain auf dem Kleinen Grasbrook zu erkunden: den riesigen, im Winter allerdings eisig kalten Kaischuppen 50 A, der als Schaudepot dient. Die ausgedienten Kräne, die am Bremerkai ihre Ausleger in den Himmel recken und die schwimmenden Großobjekte. Jetzt sitzt sie aber noch in ihrem alten Büro im Altonaer Museum und soll die Frage beantworten, was ihr so ganz persönlich Schiffe bedeuten.

"Ich bin in Zürich geboren und habe die ersten neun Lebensjahre in der Schweiz verbracht, wo es mehr Berge als Schiffe gibt", erzählt die 42-Jährige, die man sich nicht so recht im Blaumann und mit öligen Händen bei der Reparatur der Maschine des Dampfsaugers "Sauger IV" vorstellen kann, der am Bremerkai im Wasser dümpelt.

Was nicht heißen soll, dass ihr Schiffe nicht vertraut wären. Nach dem Tod ihres Vaters zog sie als Neunjährige mit der Mutter von Zürich nach Rendsburg, an den Nord-Ostsee-Kanal. Und dort sah sie zwar keine Berge mehr, dafür aber jeden Tag die großen Pötte vorüberziehen. "Schiffe und Häfen haben mich schon immer interessiert, auch wenn ich mir früher kaum vorstellen konnte, damit später beruflich zu tun zu bekommen", sagt Ursula Richenberger, die nach dem Abi wieder in die Schweiz ging, um dort in der Hotellerie erste Berufserfahrungen zu sammeln.

Das Resultat: Sie entschied sich weder für die Schweiz noch fürs Gastgewerbe, sondern kehrte nach Norddeutschland zurück, um in Lüneburg Kulturwissenschaft zu studieren.

Schon bald fand sie Kontakt zum Altonaer Museum, absolvierte dort ein Praktikum und lernte als studentische Hilfskraft den Museumsalltag in allen seinen Facetten kennen. Trotzdem ging sie nach dem Studium, das sie mit dem Magister abschloss, nicht gleich in ein Museum, sondern machte freiberuflich erst einmal unterschiedliche Kulturprojekte. Als sie 1999 dann das Angebot erhielt, Geschäftsführerin des Vereins Freunde des Altonaer Museums zu werden, fiel ihr die Entscheidung nicht schwer. Menschen zu begeistern, Vorträge, Führungen und Exkursionen zu organisieren und dazu beizutragen, dass das Museum nicht nur in Altona immer mehr Fürsprecher bekommt, empfand die junge Frau als spannende Aufgabe. Nie vergessen wird sie die aufregenden Monate im Herbst 2010, als die Freunde des Museums zu Kämpfern für das Museum wurden, das der damalige Kultursenator dichtmachen wollte. "Mit Ehrenamtlichen habe ich immer gern zusammengearbeitet, dabei aber auch festgestellt, dass es wichtig ist, sie gut anzuleiten und zu betreuen", meint die Kulturwissenschaftlerin.

Diese Erfahrungen werden ihr jetzt zugutekommen, denn im Hafenmuseum wimmelt es von Menschen, die dazu bereit sind, Freizeit und Erfahrung zur Verfügung zu stellen. "Insgesamt haben wir 250 Ehrenamtliche, meiner Schätzung nach sind es 80 bis 90 Prozent Männer", meint die Museumschefin. Hat sie Bedenken, in dieser Männerdomäne akzeptiert zu werden?

"Habe ich nicht, ich fühle mich gut angenommen", meint sie lächelnd: "Was die Technik betrifft, baue ich gern auf das Know-how derjenigen, die früher hier gearbeitet haben." Und das sind nicht wenige, die Hafen-Senioren spielen hier eine ganz große Rolle. Und die soll nach den Vorstellungen der neuen Chefin sogar noch größer werden, denn diese Menschen mit ihrer Lebens- und Berufserfahrung können das ehemalige Hafenareal zum Sprechen bringen. "Das Hafenmuseum wird gern mit der Zeche Zollverein verglichen, ich sehe aber auch große Unterschiede. Dort gibt es die beinahe mystische Atmosphäre einer alten Fabrik, hier haben wir dagegen riesige Hallen, die erst einmal leer sind und deren einstiger Atmosphäre sich nicht so leicht nachspüren lässt", sagt Richenberger, die das Hafenmuseum künftig auf sinnliche Weise erlebbar machen möchte. Mit Bildern, Gerüchen und Geräuschen, vor allem aber mit den Erzählungen der Zeitzeugen, die sie für einen ganz besonderen Schatz hält, der unbedingt für die Zukunft bewahrt werden muss. So ist sie froh, dass die HafenCity Universität mit einem Oral-History-Projekt begonnen hat und Video-Interviews mit den Hafensenioren führt. Einen Teil dieses Materials wird sie wahrscheinlich für das Museum nutzen, vielleicht auch für einen Audioguide.

Das Hafenmuseum ist eine Außenstelle des Museums der Arbeit. Etwa 30.000 Besucher kommen in jeder Saison, die Ostern beginnt und im Oktober endet. Das ist kein schlechtes Ergebnis, aber es könnten deutlich mehr sein. Zum Beispiel, wenn das Museum endlich einen richtigen Anleger bekommt und dann auch regelmäßig von der Maritime Circle Line angefahren wird. Es gab schon große Pläne für das Areal, die alle wieder in der Schublade verschwunden sind. Der Architekt Andreas Heller hat einen Masterplan entwickelt, dessen Realisierung etwa 60 Millionen Euro gekostet hätte.

Dass das im Schlagschatten der Elbphilharmonie in absehbarer Zeit nicht finanzierbar ist, weiß natürlich auch Ursula Richenberger. Findet sie sich also ab mit dem Status quo des netten, freundlichen und ziemlich handgemachten Museums, wie es jetzt ist? "Das tue ich nicht, ich habe eine Vision für diesen großartigen Ort. Und die werde ich nicht aus dem Blick verlieren, auch wenn sie sich nur mühsam und nur Schritt für Schritt verwirklichen lässt", sagt die Museumsleiterin, der es auch um das, was heute und in Zukunft passiert, geht. "Ganz in unserer Nähe werden alte Autos verladen, die die Grimaldi-Line nach Westafrika transportiert. Das ist nicht Geschichte, sondern Gegenwart. Und auch das, was jetzt auf der IBA und der igs passiert, kann für uns interessant und wichtig sein", sagt Ursula Richenberger, die wild entschlossen zu sein scheint, am 50er-Schuppen ganz neue Akzente zu setzen.

Hafenmuseum, geöffnet von 29.3. bis 31.10.2013; alle Infos: www.hafenmuseum-hamburg.de