Bei der Ausstellung “Blicke in die Landschaft“, die bis zum 12. Mai läuft, dominieren norddeutsche Motive

Jenisch Haus. Der "Sprung über die Elbe" war damals eine Fahrt mit der Fähre, die die Künstler vom Süd- zum Nordufer brachte. Hatten sie in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zunächst vom Süden aus auf die Stadt geschaut, änderte sich ihr Blickwinkel und damit auch die künstlerische Auffassung der Altonaer Maler in den Jahren um 1770, als sie begannen, vom Nordufer aus die Reize der Flusslandschaft wiederzugeben. Erst vor etwas mehr als 200 Jahren wurde die Landschaft zu einem zunächst nur akzeptierten, bald aber immer wichtigeren Thema der bildenden Kunst.

Für das vor 150 Jahren gegründete Altonaer Museum war Malerei von Anfang an ein Sammlungsschwerpunkt. Während das Haupthaus noch bis Ende April saniert wird, gibt die Außenstelle Jenisch Haus jetzt einen Einblick in die insgesamt etwa 2000 Werke umfassende Sammlung, die vom 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart reicht. Der Bestand umfasst zwar auch Porträts, doch dominieren Motive der norddeutschen Landschaft, der sich die Maler zunächst eher unter topografischen, immer stärker aber unter künstlerischen Gesichtspunkten gewidmet haben.

Den Grundbestand bilden die beiden großen Sammlungen des Bankiers Pius Warburg (1816-1900) und des Kaufmanns Martin Johann Jenisch (1793-1857), deren Profil die jeweiligen künstlerische Entwicklung ihrer Zeit gut widerspiegeln. Kuratorin Christine Kitzlinger hat die Ausstellung chronologisch geordnet, zugleich aber auch Ensembles und Künstlergruppen hervorgehoben.

Die Maler, die Anfang des 19. Jahrhunderts die norddeutsche Landschaft für sich entdeckten, waren fasziniert von der Elbe und den Seen, der Weite des Himmels und den tief hängenden Wolken, die sich zu dramatischen, sich ständig wandelnden Bildern zusammenfügten. Zu sehen ist auch eine der großen Ikonen der norddeutschen Landschaftsmalerei, Louis Gurlitts "Blick von Stöfs über den Großen Binnensee auf die Hohwachter Bucht". Das Anfang der 1860er-Jahre entstandene Bild zeigt von einem erhöhten Standort aus einen großartigen Panoramablick über den Binnensee bis hin zum Ufer des Meeres.

Nicht nur einzelne Künstler, sondern auch Künstlergruppen, die sich zeitweise an mehreren norddeutschen Küstenorten sowie auf Nord- und Ostseeinseln zu Kolonien zusammenfanden, setzten sich mit dem Licht und den Farben der Natur auseinander, die sie in realistischer, später aber in impressionistischer und postimpressionistischer Manier wiedergaben. Schwerpunkte der Schau bilden der Hamburgische Künstlerclub sowie der 1905 gegründete Altonaer Künstlerverein, zu dessen Förderern Otto Lehmann, der Gründungsdirektor des Altonaer Museums, gehörte.

Auf neue und für die Zeitgenossen manchmal verstörende Weise gingen die Maler des Expressionismus mit den Anfang des 20. Jahrhunderts längst eingeführten Landschaftsmotiven um. Es lag ihnen nicht mehr daran, die Landschaft vorbildgetreu abzubilden, sondern sie vielmehr für ihre Vorstellungen von Fläche und einen neuen Umgang mit Farbe zu nutzen. Vertreten sind auch die Maler der Hamburgischen Sezession wie Eduard Bargheer, Willem Grimm oder Karl Kluth, von dem das ungewöhnliche Motiv einer riesigen Wolke gezeigt wird. "Ich dachte immer, das wäre nur eine künstlerische Vorstellung, aber vor Kurzem habe ich tatsächlich genau so eine Wolke gesehen", meint Kuratorin Kitzlinger.

Buchstäblich aus dem Rahmen fällt ein zeitgenössisches Werk, die 1985/86 entstandene Installation "Diplomatengepäck für den kleinen Grenzverkehr" von Lilli Fischer. Sie besteht unter anderen aus einem Koffer mit Elbfundstücken sowie 44 Zeichnungen, die eine Elbe-Aktion im damaligen deutsch-deutschen Grenzgebiet dokumentieren.

Blicke in die Landschaft bis 12.5., Di-So 11.00-18.00, Jenisch Haus (Bus 21), Baron-Voght-Straße 50, Eintritt: 5,-/3,50