Sänger Nick Cave im Gespräch über sein neues Album “Push The Sky Away“, feminine Songtexte und die eigene Heroin-Vergangenheit.

Nach vier Jahren Pause hat Nick Cave, 55, wieder ein Album mit den Bad Seeds aufgenommen. Es heißt "Push The Sky Away", präsentiert auf dem Cover die hüllenlose Cave-Gattin Susie Bick, und überzeugt auch sonst mit sehr femininen Qualitäten, wie uns Cave beim Gespräch im Londoner Hotel The Langham zu berichten weiß.

Hamburger Abendblatt: Wie findet Ihre Frau das Bild vorne auf dem Album?

Nick Cave: Super. Sie hat überhaupt nichts dagegen gehabt. Ich meine, sie sieht toll aus oder etwa nicht? (lacht) Meine Frau hat sich sogar richtig gefreut über das Foto. Die Fotografin ist Französin und heißt Dominique Issermann. Sie war an dem Tag bei uns, weil sie ein Fotoshooting mit meiner Frau machte. Meine Frau zog sich gerade um, deshalb war sie nackt. Ich kam zufällig rein, und Dominique knipste einfach mal schnell.

Verstehe.

Cave: Einige Leute beschweren sich über das Cover. Mich überrascht das. Insbesondere Frauen denken oft, dass andere Frauen, die so etwas tun, also zum Beispiel sich ausziehen, von Männern dazu gedrängt wurden. Meine Frau würde garantiert niemals etwas tun, das sie nicht wirklich tun wollte, keine Feministin dieser Welt muss sich ihrer annehmen.

Wie entsteht ein neuer Nick-Cave-Song?

Cave: In drei Stufen. In der ersten Phase will ich etwas schreiben, weiß aber noch nicht, wie ich es angehen soll. Dann sitze ich da und ärgere mich, dass mir nichts einfällt. Die zweite Stufe ist erreicht, wenn ich eine Idee habe. Ganz oft passiert das nachts um 2 oder 3 Uhr. Die Nacht hat etwas Magisches für mich. Der dritte Teil ist dann die eigentliche Arbeit, die darin besteht, meine kleine Eingebung zu etwas Brauchbarem auszubauen.

Ist es ein Aspekt von Kunst, dass der Hörer nicht ahnt, wie anstrengend ihre Erschaffung ist?

Cave: Ich habe über die Jahre viele Kollegen getroffen, die weitaus bessere Ideen haben als ich, die aber nicht in der Lage sind, diese dritte Stufe zu erklimmen, sich einfach mal hinzusetzen und was fertigzustellen. Was schade ist. Die kriegen es einfach nicht gebacken. Ich bin gut darin, Dinge gebacken zu kriegen. Das ist mein Talent.

"Push The Sky Away" ist ein ausgesprochen erotisches, sinnliches Album.

Cave: Der Sound ist sinnlich, das war so gewollt. Wir lassen klanglich viel Platz, viel Raum, was auch zu einer gewissen Wärme im Sound führt. Auch sind die Songtexte viel femininer als bei, sagen wir mal, Grinderman, wo es ja doch meist recht machohaft und brachial zugeht. "Push The Sky Away" ist auf eine weibliche Art sexy.

Wie kommen Sie damit klar, wenn Sie urplötzlich einen Hit haben?

Cave: Wann hatten wir den denn?

"Where The Wild Roses Grow", Mitte der 90er-Jahre.

Cave: Ach ja, stimmt. Das war eine seltsame Anomalität. Ich war zu der Zeit weder körperlich noch mental in der Verfassung, einen Hit zu haben. Oder überhaupt in der Öffentlichkeit zu stehen. Insofern war es ganz schön interessant, zwei Wochen hintereinander mit Kylie Minogue bei "Top of the Pops" aufzutreten und diesen Song vor einer Horde Teeniemädchen zu präsentieren, während mein Heroinproblem immer mehr außer Kontrolle geriet. Ich war ja kaum in der Lage, das alles durchzustehen.

Ist das Leben besser ohne das Zeug?

Cave: Macht das Leben mehr Spaß? Nein. Ist es klarer? Ja, natürlich. Zum Problem wurde die Sache mit dem Heroin erst, als ich älter wurde. Da musste ich aufpassen, dass ich nicht zur traurigen Gestalt wurde.

Gibt es im Rock'n'Roll ein Alter, ab dem man unbedingt verantwortungsbewusst leben sollte?

Cave: Nein, das will ich nicht verallgemeinern. Für mich kam eine Zeit, als die Drogen einfach nichts mehr brachten. Ich weiß nicht, ich kam mir blöd vor. Also gewöhnte ich es mir ab.

Sind Ihre Zwillinge Arthur und Earl alt genug, um mit ihnen über Ihre Songs zu sprechen?

Cave: Die beiden sind jetzt zwölf. (überlegt) Ich weiß nicht genau. Manchmal fragen sie sich, was ich so treibe. Es ist so: Ich erlaube nicht, dass meine Platten bei uns im Haus gespielt werden.

Ach. Wieso das nicht?

Cave: Ich will das nicht, zumindest nicht, während ich im Haus bin. Aber die Regel ist eher theoretischer Natur, denn niemand ist scharf darauf, meine Musik zu Hause zu hören. (lacht) Ab und zu gucken die Kids im Internet mal nach und stolpern über einen Song von mir, den sie mögen. Das ist ganz süß. Aber sie kommen nicht an und fragen, worum es in den Texten geht.

Nick Cave & The Bad Seeds: „Push The Sky Away“ CD (Bad Seed Ltd./Rough Trade) im Handel; Konzert: So 10.11., 20.00, Sporthalle (U Lattenkamp), Krochmaannstraße 55, Karten zu 51,30 im Vorverkauf; www.nickcave.com