Hamburgs Konzert-Impresario Hans-Werner Funke feiert am Donnerstag Geburtstag. Zeit zur Besinnung? Jedenfalls für eine Rückschau.

Hamburg. Eine Szene gibt es, die einen anderen Hans-Werner Funke zeigt als den knallhart kalkulierenden Konzertveranstalter: ein Treffen mit dem französischen Pantomimen Marcel Marceau an der Alster. Die Männer erzählen einander von ihren Vätern. Der von Hans-Werner Funke ist in französischer Kriegsgefangenschaft verhungert, Marcel Marceaus Vater wurde in Straßburg von den Nazis abgeholt und ermordet. "Wir hatten beide Tränen in den Augen und haben uns doch darüber gefreut, dass wir nun zusammensitzen und miteinander arbeiten können."

Tränen und ein weiches Herz sind nicht das Erste, wenn man von dem Mann spricht, der neben Karsten Jahnke zum Konzertveranstalter-Urgestein der Stadt gehört. Am 14. Februar wird Hans-Werner Funke 75. Und blickt zurück auf 54 Jahre, in denen er ein Unternehmen mit 100 Mitarbeitern aufgebaut hat, das pro Jahr 200 bis 250 Konzerte und Shows veranstaltet - Laeiszhallen- bis Arena-Format. Urgestein, da denkt man bei ihm an Wucht und Beharrungsvermögen. So wie ein Kollege schrieb: "Wenn er leibhaftig vor einem steht, verdunkelt sich die Sonne. Erst recht, wenn Dinge für ihn nicht so laufen, wie sie laufen sollten."

Funke griff gern resolut zum Telefon, wenn sich eine Kritik anders las als von ihm erwartet. Ein Kritiker im karierten Hemd muss im Pro-Arte-Konzert vor Publikum die Frage nach dem fehlenden Jackett aushalten. Er inszeniert Furor, wenn das Hamburger Musikleben neu sortiert werden soll. Kämpft mit offenem Visier, kann aber genauso gut diskret Fäden ziehen. "Ich glaube, dass meine Cholerik im Lauf des Lebens entstanden ist, man hat einfach nicht mehr so viel Geduld. Früher hab ich vieles geschluckt, heute lass ich das raus, auch mal im falschen Moment." Einzelkämpfer, die Gründergeneration eben. "Die 40-Jährigen reagieren oft viel verbindlicher." Da meint er seinen Sohn und Nachfolger Pascal, der 2007 die Funke-Firmen übernahm. Sein anderer Sohn ist Theatermaler an der Staatsoper Hamburg.

Geboren wurde der Impresario 1938, die Familie lebte an der Binderstraße, Ecke Rothenbaumchaussee. Er lernt nach der mittleren Reife Textilkaufmann, wie der Vater. Kaufen und verkaufen - das reizt ihn. Namen, Daten, Beträge hat er bis heute blitzartig präsent; das Elefantengedächtnis ist ein Grundstein seines Erfolgs. "Am 1. April 1954 trat ich die Lehre an, am 7. November war meine erste Veranstaltung", ein "Bunter Abend" im Gemeindesaal von St. Johannis am Turmweg, mit zwei Schulfreunden. "Ich hab moderiert." Es war ein Auftritt mit Folgen: Im Publikum sitzt ein 14 Jahre junger Backfisch - seine spätere Frau Karin, die ihrer Freundin sagt: "Den will ich mal heiraten." Sie lässt ihm ihr Foto zustecken, samt Telefonnummer. So beginnt eine 58 Jahre währende gemeinsame Lebensreise; Karin Funke ist im vergangenen Jahr gestorben.

Am 20. Februar vor 54 Jahren holt sich Hans-Werner Funke beim Bezirksamt Eimsbüttel den Gewerbeschein, für fünf D-Mark, und macht sich selbstständig. Tanzveranstaltungen und Bälle in der Mensa oder im Curiohaus. Mit seinem ersten Klassik-Konzert in der Laeiszhalle übernimmt er sich, weil er den Platzhirsch unterschätzt, die Konzertdirektion Dr. Goette. Doch Funke hat einen langen Atem: "Seit dem 6. Juli 1988 gehört mir Goette, seit 1998 sind wir Alleininhaber", die Pro-Arte-Konzerte werden sein Klassik-Standbein.

1965 sucht Hildegard Knef einen Tour-Veranstalter, Funke reist an den Starnberger See und kommt zurück mit einer Zusage für 30 Abende, alle bald ausverkauft. Als er 1967 seine Tour mit Udo Jürgens beginnt, hat der gerade mit "Merci, Chérie" den Grand Prix Eurovision gewonnen - auch das heißt: "Ausverkauft!". Bis heute veranstaltet Funke Jürgens' Hamburger Konzerte. Dann kommen sie alle, "Esther und Abi Ofarim, Bee Gees, James Last, Les Humphries Singers, Otto Waalkes, Peter Maffay." Und Udo Lindenberg, der ihn "Jonny Controlletti" nennt. Das klingt etwas netter als "McFunke", ein Spitzname, der in der Branche kursiert. Er steht dazu: "Wohlhabend wirst du nur durch Geld, das du festhältst."

Fünfeinhalb Jahrzehnte Hamburger Musikgeschichte. Wenn Hans-Werner Funke erzählt, ist man dicht bei den jungen Rolling Stones, die ein gebuchtes Hotel vor dem Konzert ablehnen, es danach aber, als sie mit den Mädels ins Warme wollen, dann doch ganz passabel finden. Oder bei Funkes weißem Taschentuch, das mit Louis Armstrong auftreten darf. Auch den hatte er mal, so wie Ella Fitzgerald, Sammy Davis jr. oder Liza Minelli. Irgendwann ziehen sie alle weiter.

Warum kommen Künstler zu ihm? "Ich kann Menschen öffnen, im Gespräch. Du musst dein Herz öffnen und die Angel auswerfen. Dich auf alle gut einstellen, irgendwo zwischen Kindermädchen und Psychiater." Auch wenn sich das Business verändert hat. Es gibt mehr Veranstalter, Verträge haben 40 Seiten und mehr, die Garantiesummen sind astronomisch. Manches ist besser geworden: "Als Pascal in die Firma einstieg, hatten wir vier Theaterkassen, heute sind es 19", mit denen man an den Konzerten der Konkurrenz mitverdient.

Funke selbst hat sich mit 59 Jahren aus der Unterhaltung, mit 69 auch aus Dr. Goette zurückgezogen. Die Klassik leitet Christian Kuhnt, inzwischen designierter Intendant des Schleswig-Holstein Musik Festivals. War Funkes Rückzug ein Reflex auf Kritik, die eine Wiederkehr der immer gleichen Top-Stars monierte? "Das war der Reflex auf mein Alter. Irgendwann will man nicht mehr fünf, sechs Tage arbeiten, Doppelschicht, von morgens um neun bis open end, wenn die Künstler noch essen gehen wollen."

Letzteres liegt dem Mann mit der barocken Figur und etlichen Lieblingsitalienern ja im Prinzip. Sein Lieblingsgericht? "Nudeln, Butter, frische Trüffeln." Italien mag er. Seit mehr als 40 Jahren macht er Urlaub im eigenen Haus am Gardasee. Diese Vorliebe hat er wohl, mutmaßt er, von der Familie der Mutter, "Steinmetzen aus der Lombardei". So wie seinen Hang zum Felsenbrechen. Etwa wenn er gegen staatlich subventionierte Elbphilharmonie-Konzerte wettert: "Das wird ja alles von Steuern bezahlt!" Sein Verhältnis zum Generalintendanten? "Wir sagen uns Guten Tag."

Und der Ruhestand? Dienstags, manchmal auch donnerstags, geht er ins Büro, Alsterterrasse 10. Am Abend sitzt er oft in der Laeiszhalle, auf der Suche nach dem Juwel, bei dem einfach alles stimmt. Was war das zuletzt? "Elina Garanca", schwärmt er. Und freut sich auf Ina Müller. Lieblingsmusik hat er nicht, "das geht bei mir nach Stimmung". So wie Funke auch Star-Köche auf die Bühnen bringt oder sich bei der Konkurrenz einen Hundeflüsterer ansieht, um herauszufinden: "Was macht der zwei Stunden da draußen vorm Publikum?" Den Einwand, dass manches zu flach sein könnte, kontert er: "Solche Kritiken sind subjektiv. Solange die Leute etwas hören und sehen wollen, werden wir es veranstalten."

Das Gespräch geht zu Ende, nicht ohne einen letzten Seitenhieb auf die unfertige Elbphilharmonie: "Früher hab ich gedacht, ich warte die Eröffnung ab und gehe dann in den Ruhestand. Jetzt sag ich: Ich möchte es wenigstens noch erleben."