Der Hypervirtuose Ryo Goto verblüffte als Gast der Symphoniker in der Laeiszhalle

Hamburg. Erst die Zugabe ließ ahnen, wo der junge New Yorker Geiger Ryu Goto wirklich musikalisch eins mit sich ist. Das Violinkonzert von Beethoven strich er makellos und mit Kadenzen, die er über lange Strecken blitzsauber mehrstimmig führte. Aber eigenständig gestaltend, phrasierend, mit der Musik etwas meinend mischte er sich in den Notentext nicht nennenswert ein.

Ganz anders sein unglaubliches Paganini-Kabinettstückchen hinterher: Da zauberte der technisch bravouröse Geiger, der kürzlich sein Physik(!)studium abgeschlossen hat und auch an den Probentagen mit den Hamburger Symphonikern vor dem Konzert am Sonntag in der Laeiszhalle keinen Tag sein Karate-Training ausließ (Schwarzgurt!), aus seiner herrlich klingenden Stradivari Virtuoses im Pianissimo, ließ die Finger der linken Hand die Klangerzeugung allein bewerkstelligen oder den Bogen über die Saiten schwirren wie ein Kolibri seine Flügel vor einem Blütenkelch. Das mit lauter bogenhaarsträubenden Finessen gespickte Hypervirtuosenstück lieferte Goto noch dazu mit einem schelmischen Lächeln ab, als wär's ein Kinderspiel.

Die Symphoniker standen an diesem Abend unter dem gewohnt anämischen Dirigat von Peter Ruzicka. Selbst das Beethoven-Violinkonzert, diesen hemmungslos aufs instrumentale Jubilieren angelegten Publikumsrenner, trimmte Ruzicka auf farblose Noblesse. Auch unterliefen ihm Koordinationsunschärfen zwischen Solist und Orchester. Des Dirigenten eigenes Werk "Satyagraha" (1984), das etwa achteinhalb seiner elf Minuten Spieldauer auf einen einstimmig geführten Geigen-Cantus von recht bescheidenem melodischen Erregungspotenzial verschwendet, hatte den Abend eröffnet.

Musikalisch Neues brachte das Konzert in der zweiten Hälfte mit der 5. Sinfonie von George Enescu (1941, unvollendet), die nach Skizzen 40 Jahre post mortem von Pascal Bentiou 1995 fertiggestellt wurde. Ein aufregendes, vielgestaltiges Werk, das im einen Moment nach aufs Äußerste komprimierter Spätromantik klingt, im nächsten seine Zeitgenossenschaft im wüsten 20. Jahrhundert ausstellt. Hörbar gründlich geprobt, mit exponierten Solostellen für die Viola (Bruno Merse), das Cello (Arne-Christian Pelz, vorzüglicher neuer Mann am ersten Pult), reichlich Blech und Schlagwerk, fanden die Symphoniker zu sehr guter Form.